Ingolstadt
Groove im Gotteshaus

Das amerikanische A-cappella-Sextett Take 6 liefert einen weiteren Höhepunkt der Jazztage

05.11.2012 | Stand 03.12.2020, 0:52 Uhr

−Foto: Jürgen Schuhmann

Ingolstadt (DK) Die Kirche St. Augustin ist in rotes Licht getaucht, das religiöse Mosaik an der Wand kommt so noch besser zur Geltung. Vor dem Altar: sechs Barhocker. Einige Konzertbesucher haben sich Sonntagabend sogar schon zwei Stunden vor Beginn auf den Weg zu der katholischen Kirche gemacht, die perfekt zu sein scheint für dieses ganz besondere Konzert. Der Festivalleitung der Jazztage ist es gelungen, die Formation Take 6 nach Ingolstadt zu holen, die hier ihr einziges Konzert in Deutschland gibt.

Die sechs Vollblutmusiker aus Alabama können auf zehn Grammy-Gewinne zurückblicken, unter anderem für die beste Soul-Gospel-Darbietung und die beste Jazz-Vocal-Performance, und arbeiteten schon mit Megastars wie Stevie Wonder, Quincy Jones und Ella Fitzgerald zusammen. Die Professionalität, die diese Erfolge versprechen, wurde auch am Sonntag eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Punkt 19 Uhr betritt das Sextett die voll besetzte Kirche und wird mit tosendem Applaus begrüßt. „Let’s gonna have some fun“, ruft einer der Künstler – und plötzlich fühlt man sich, als wäre man auf einer Party, deren Gastgebern es trotzdem gelingt, das Ganze in Anmut und Ehrfurcht erstrahlen zu lassen. Auch die Bühnenpräsenz der Amerikaner zeigt: Ingolstadt ist mit diesem Konzert ein Glücksgriff gelungen.

Bei „One“, dem Titelsong des neuen Albums, kommt der Konzertflügel zum Einsatz und das Sextett groovt, swingt und bringt das Publikum zum Mitklatschen, Fingerschnipsen und Singen. Durch ein äußerst breites Repertoire wird so gut wie jeder Musikgeschmack bedient. Entzücktes Raunen geht durch die Menge, als Alvin Chea einen „oldschool song“ ankündigt, den jeder kenne. Er singt in die Stille der Kirche: „When the night has come, and the land is dark . . . “ und spätestens beim Refrain von Ben E. King’s „Stand by me“ bewegt auch der letzte Gesangsmuffel seine Lippen.

Den Mitgliedern von Take 6 ist die Religion zentrales Thema, die Übermittlung ihrer Botschaft ist für sie das Ziel ihrer Musik: „Spread Love.“ Mit Egg-Shakern als beinahe einziges Hilfsmittel sind ihnen forte und piano – die Regulierung der Lautstärke – und die Intensität der Stimmen die wichtigsten Instrumente. Und wie es sich für ein Gospel-Konzert gehört, war das ein oder andere Weihnachtslied am Sonntagabend unentbehrlich. „Oh come, all ye faithful!“

Take 6 wurde wie jede andere Formation auch von bestimmten Künstlern beeinflusst. Seine Dankbarkeit brachte das Sextett durch eine bunte Auswahl von Songs ihrer Vorbilder zum Ausdruck. Das Publikum konnte also an kurzen musikalischen Ausflügen zu Prince, Earth, Wind & Fire, Stevie Wonder und Michael Jackson teilhaben. Besonders eindrucksvoll und amüsant war die Darbietung von Liedern des „King of Pop“. So kam man in den Genuss von Moonwalk-Einlagen, Hüftschwüngen und dem für Jackson typischen leisen Säuseln ins Mikrofon.

Ein weiteres Highlight folgte am Schluss des Konzertes: Beatbox-Vorführungen vom Allerfeinsten. Aufgrund der großen stimmlichen Vielfalt der Amerikaner konnte man kaum fassen, dass da wirklich niemand im Hintergrund saß und den Bass zupfte.

Nach tosendem Applaus, Standing Ovations und zwei Zugaben ließ das Publikum die A-cappella-Gruppe schweren Herzens ziehen, nur um sich nach dem Konzert in lange Schlangen einzureihen und ein Autogramm und ein Händeschütteln zu ergattern.