Jazzparty I: Gute-Laune-Mix für Novembernächte

06.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:42 Uhr

Lockere Session mit Ausflügen zu den Wurzeln des Jazz mit dem New Orleans Jazz Collective featuring Charly Böck (rechts). Foto: Weinretter

Ingolstadt – Nach der Zeit der Corona-Beschränkungen merkt man es deutlich: Die Jazzpartys haben eine wichtige Funktion für die mentale Ausgeglichenheit. Sie sind ein Lichtblick, sie durchbrechen das Novembergrau – vor allem, wenn sie eine derartig launige Zusammenstellung von Acts bieten wie am Freitagabend bei der Jazzparty I im NH-Hotel im Rahmen der 39. Ingolstädter Jazztage.

Als die US-amerikanische Band Spyro Gyra auf der Bühne im Restaurant ihren heimeligen Fusion-Sound anstimmt, rückt etwas wieder an den richtigen Platz. So scheint es vielen im Publikum zu gehen: Lächelnde Gesichter sieht man oft an diesem Abend. Wie soll man diesem Gute-Laune-Mix auch widerstehen? Spyro Gyra machen es einem leicht, wieder ins Jazzparty-Gefühl zurückzufinden. Ihr Sound, angenehm retro, funkig, verbreitet eine ähnliche Fröhlichkeit wie „Celebration“ oder Stevie-Wonder-Hits. Die fünf Musiker – die Band gibt es seit den 70ern – sind unglaublich gut aufeinander eingespielt, sie verschwenden keine Zeit damit, cool wirken zu wollen, sondern liefern einfach ab: Drummer Lionel Cordew hat seine Ohren überall, zusammen mit Bassist Scott Ambush hält er den Groove am Laufen. Die beiden spielen sich nur dann in den Vordergrund, wenn es passt: Ihr Doppelsolo wird mit vielen Zwischenjauchzern aus dem Publikum quittiert.

Tom Schumann erdenkt genau die richtigen Einwürfe und Soli an den Synthesizern: raffinierte Ideen, aber nichts zu intellektuell, stattdessen auch mal ein Spaceshuttle- oder Steeldrum-Sound. Klingt nach guter, alter Zeit. Jay Beckenstein spielt lyrisch, aber nicht kitschig, er ist sowohl auf dem Alt- als auch auf dem Sopransax souverän ohne Ende – oder auch mal mit beiden gleichzeitig.

Gitarrist Julio Fernandez freut sich nicht nur, wenn sein Kollege sich zwei Saxofone in den Mund steckt, sondern eigentlich die ganze Zeit. Er beglückt das Publikum mit einem Wacka-wacka-wah-wah-Solo, es ist herrlich. Die Gruppe ist, was die Amerikaner „tight“ nennen: Sie können wie ein Mann einen Groove um ein, zwei Sekunden verzögern und mit der entstehenden Pause ein angenehmes Kribbeln im Bauch verursachen – es bleiben einfach keine Wünsche offen.

KubanischesJazztrio

Ebenfalls vergnügt, wenn auch auf andere Art, geht es derweil im Kleinen Saal zu: Hier gibt es ein kubanisches Jazztrio zu hören. Pianist Harold López-Nussa allein ist schon faszinierend. Einerseits ist er sehr ernst, wenn es ihm um Melodien geht. Er schält sie aus dem Flügel, poliert sie und lässt sie strahlen, vor allem in den balladenartigen Stücken. Doch in der Interaktion mit seiner Band ist er andererseits verschmitzt, er setzt ein klingelndes Spieluhr-Motiv auf den hohen Tasten und grinst. Bassist Yasser Pino raunt anerkennend und hält mit einem Schmiereffekt auf der Kontrabass-Saite dagegen. Die Musik ist zugänglich, aber nie platt, oft macht sie Anleihen bei der traditionellen kubanischen Musik.

Und dann der Drummer: Die Gliedmaßen von Ruy Adrián López-Nussa sieht man fast immer nur verschwommen, er trommelt auf den Bongos, bearbeitet die Cowbell, während er das Schlagzeug ordnungsgemäß weiterbedient. Er tupft zur Ballade mit weichen Schlägeln auf die Becken, holt mit den Jazzbesen jedes Krümelchen Sound aus seiner Snare-Drum. Als er sich auf einer abgegriffenen Cajon niederlässt, wird sein Duett mit seinem Bruder, dem Pianisten, zu einer Rhythmus-Raserei.

Diese drei Musiker sind solche, die über die Improvisations-Ideen der anderen vor Freude lachen – Eitelkeit gibt es hier nicht. Harold López-Nussa ist sich nicht zu schade, mitten in seinem Solo aufzustehen, um ein niedliches „Cha-cha-cha!“ ins Mikro zu sprechen – das Publikum kichert und führt den Zwischenruf weiter.

Einfach eine gute Show von De-Phazz

Um die Party perfekt zu machen, übernehmen De-Phazz die Bühne im Restaurant. Ihr Lounge-Mix ist tanzbar, lässig und heiter. Erstmals am Abend gibt es viel Gesang: Bühnen-Queen Pat Appleton und ihr Kollege Karl Frierson ziehen sympathisch, oft ironisch, einfach eine gute Show ab. 25 Jahre arbeitet das Kollektiv inzwischen zusammen, auch bei dieser Band sitzt alles, wie es sitzen soll. Marcus Bartelts Bariton-Saxofon loungt sich durch die Songs, Matti Kleins Rhodes-Tasten perlen, der Groove – gemischt aus elektronischen Zuspielern und den Verdiensten von Drummer Christoph Huber und Bassist Bernd Windisch – strebt vorwärts.

Dass man manchmal nicht so genau zuordnen kann, was hier eigentlich live gespielt wird und was nicht, gehört dazu, wie Pat Appleton dem Publikum erklärt. Und es ist auch nebensächlich – was am Ende aus den Boxen kommt, zählt. Dabei sind bekannte Titel wie „The Mambo Craze“, Karl Frierson singt die melancholisch-soulige Nummer „Time slips“, und gemeinsam performen Frierson und Appleton den ironischen „De-Phazz-Schlager“ mit der Zeile „You’re so special – just like anybody else“.

Blues-Schema,Improvisation, Standards

Wer es lieber klassischer mag, ist währenddessen beim New Orleans Jazz Collective featuring Charly Böck im kleinen Saal gut aufgehoben. Hier gibt es eine lockere Session mit Ausflügen zu den Wurzeln des Jazz: Blues-Schema, abwechselnde Improvisation, bekannte Standards. Sängerin Yolanda Robinson legt viel Dramatik in ihre wundervolle Version von „Georgia“, begleitet von einem zu Herzen gehenden Trompeten-Solo von Ashlin Parker. Souverän spielen sich die Musiker durch den späten Abend – Lawrence Sieberth an den Tasten, Brian Quezergue am Bass, John Jones an den Drums und als Gast der Ingolstädter Charly Böck an der Percussion. „We keep it movin‘ with some New Orleans Music“, sagt Yolanda Robinson – und das kann ja bei den Jazzpartys bekanntermaßen noch viele Stunden lang funktionieren.

DK