Heute kein Schlager – nur Blues
„Zum Lachen in den Keller“: Verheißungsvoller Start mit Stephan Zinner

16.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:38 Uhr

„Der Teufel, das Mädchen, der Blues und Ich“ heißt Stephan Zinners Programm. Foto: Hofmann

Von Bernd Hofmann

Ingolstadt – Blues ist die Musik des unterdrückten schwarzen Mannes? Schmarrn, und zwar nicht nur, weil man das heutzutage mit dem „schwarzen Mann“ nicht mehr unbedingt so schreibt. Nein, Blues ist auch die Musik des von seinen drei Frauen daheim unterdrückten mittelalten bayerischen Mannes, der überfordert ist mit der Tinder-und-Tattoo-Jugend sowie der modernen Welt im Allgemeinen. Der Blues komme nicht nur aus dem Mississippi-Delta, weiß Stephan Zinner, sondern auch aus Ingolstadt: „Blues hat mit Schmerz zu tun – und ich mag jetzt nur an die letzte Saison der Schanzer...“

Offenbar hat der Blues auch in Trostberg ein paar Wurzeln, denn das ist der Geburtsort von Stephan Zinner, der inzwischen in München wohnt, das jetzt normalerweise eher nicht sonderlich bluesverdächtig ist. Und Zinner, bekannt auch als überdrehter Nockherberg-Söder und Eberhofer-Spezl Simmerl, der hat den Blues. Definitiv. Nicht dass er jetzt ständig schlecht drauf wäre, ganz im Gegenteil. Nein, der 48-Jährige vermag es, seiner Gitarre die richtigen slidenden Töne zu entlocken und seine Stimme mit einer Art Baumwollpflücker-Wehklagen aufzuladen. Wenn er zurück zu den Roots geht, klingt das nach Robert Johnson (nur halt mit komödiantischen bayerischen Texten), lässt er es mehr rocken, nach Johnny Winter.

Unterstützt wird er von Peter „Lightning“ Pichler an Percussion, Banjo, Mundharmonika, Kastagnetten und allen möglichen anderen Instrumenten und Instrumentchen, wobei „Lightning“ die ganzen zwei Stunden über kein einziges Wort sagt und auch seine musikalischen Beiträge sehr sparsam belässt. Droht er es doch mal zu übertreiben, bremst ihn Zinner sofort ein: „Nur ned überpacen“, mahnt er dann. Logisch, das hier ist das pure Zeug. Robert Johnson hatte auch keine Big Band dabei. Zinner, der Voralpenblueser, weiß das. „Heute kein Schlager – nur Blues“, hat er gleich zu Beginn versprochen. Daran hält er sich. Auch wenn man – Helene Fischer hat’s grad erst gezeigt – mit Schlager vielleicht ein paar Leute mehr erreicht. Wurscht, findet er: „Was sind 130000 in Riem gegen 100 in Ingolstadt?“

Noch ein großer Unterschied zu Frau Fischer: Bei Zinner kommt ein extremer, sagen wir mal, Fredl-Fesl-Effekt ins Spiel. Bevor er mit einem Song anfängt, muss er das Publikum mit der einen oder anderen Anekdote erst mal drauf einstimmen, schweift ab, verliert den Faden, findet ihn dann doch wieder. Das alles mit Lachfaktor elf auf einer Skala von Null bis Zehn. Im Publikum entwickeln sich immer wieder Lachnester, in denen die letzte Pointe noch vor sich hin glimmt, während Zinner von der Bühne her schon den nächsten Wortwitz-Funken in die Menge schleudert.

Mit Stephan Zinner ist den Veranstaltern der Reihe „Zum Lachen in den Keller“ jedenfalls ein Glücksgriff gelungen. Für die weiteren Auftritte bis Mitte Dezember, die außer einem Sondergastspiel von Luise Kinseher allesamt ebenfalls in der Eventhalle (also im Keller neben dem Westpark) stattfinden, hat er die Messlatte schon mal ziemlich hoch gelegt. Am 8. Dezember kommt Zinner übrigens noch mal – dann zusammen mit Stefan Leonhardsberger, der ja bekanntlich ebenfalls ein begnadeter Musiker ist und über einen ganz speziellen, sehr wienerischen Humor verfügt. Könnte interessant werden.

Sein Programm am vergangenen Donnerstag hat Zinner übrigens mit „Der Teufel, das Mädchen, der Blues und ich“ betitelt. Etwas rätselhaft? Nicht für echte Blueser. Natürlich sind immer die Frauen dran schuld, wenn ein Mann den Blues kriegt. Und der Teufel war es, dem einst Robert Johnson an einer Straßenkreuzung seine Seele verkauft haben soll. Wobei das heutzutage nicht mehr funktionieren würde, meint Zinner, gerade in Niederbayern: „Weil da gibt’s überall nur Kreisverkehre.“

DK