Herausragende Kurzfilmkunst

20minmax: „Awards Ceremony“ kürte im Kulturzentrum neun die besten Kurzfilme in fünf Kategorien

27.11.2022 | Stand 19.09.2023, 3:22 Uhr

Als „kraftvolles und empowerndes visuelles Gedicht“ lobte die Jury „Warsha“. Foto: Square Eyes

Von Robert Luff

Ingolstadt – Das Festivalteam des International Short Film Festival 20minmax hatte es nicht leicht: Aus mehr als 2000 eingesandten Kurzfilmen von Japan bis Kanada wurden 51 Filme ausgewählt, die in Ingolstadt an acht Tagen zu sehen waren. Das Publikum und die Jury um Dani Holzer, Julia Mayr und Kevin Schmutzler bestimmte dann die besten fünf Kurzfilme in den unterschiedlichen Kategorien. Eine glanzvolle Preisträgergala im Kulturzentrum neun präsentierte nun die Gewinner und schloss damit das 17. Ingolstädter Festival ab, das diesmal unter dem Motto „Breaking Free“ stand. Den Hauptpreis gewann das neuseeländische Roadmovie „Datsun“ von Mark Albiston.

Festivalleiter Marcel Aigner-Spisak eröffnete die traditionelle „Closing Night“ vor zahlreichen Kurzfilmfans. Dass nicht alle Preisträger persönlich anwesend sein konnten, liegt am internationalen Charakter des Festivals, das mittlerweile zu einem Aushängeschild der Ingolstädter Kulturlandschaft geworden ist. Die Gewinnerinnen aus Kanada und dem Libanon sandten aber Videobotschaften und mit Marc Philipp Ginolas, Maxime Pistorio und Mickey Reddish waren auch zwei Filmemacher aus Deutschland und Belgien sowie der Hauptdarsteller des „Best Short Film 2022“ aus Neuseeland da und brachten Glanz und Glamour. Durch den Abend moderierten souverän und nonchalant Melita Cameron-Wood und Benjamin Dami.

Bereits in der „Opening Night“ konnte man den in köstlicher Komik scheiternden Beischlafversuch eines jungen Mannes in seinem schwäbischen Elternhaus sehen. Der elfminütige Kurzfilm „Mach’s Licht aus!“ von Marius Beck und Marc Philip Ginolas wurde als „Best Southern Short Film“ prämiert und Ginolas nahm strahlend den mit 1000 Euro dotierten, von der IFG Ingolstadt gesponsorten Preis entgegen.

Ernstere Töne schlug dann der „Best Short Film New Horizons“ „Warsha“ von Dania Bdeir an. Die Filmemacherin, die im Libanon und in Frankreich lebt, zeigte einen Tag im Leben des sklavisch ausgebeuteten syrischen Bauarbeiters Mohammed, der auf einer Großbaustelle in Beirut auf einen der gefährlichsten Kräne der Welt klettern muss und dort oben, entrückt von Raum und Zeit seinen Traum von Freiheit lebt, der ihn in seiner Fantasie aus der Arbeitshölle in einen Freiheitstanz führt und frei am Kran schweben lässt.

Die atemberaubenden Bilder dieses kraftvollen Films werden noch lange im Gedächtnis bleiben und sind ein Stachel für Regimes, in denen Homosexualität geächtet und demonstrierende Frauen niedergeprügelt werden, betonte Rüdiger Woog von Inlingua, der den mit 1000 Euro dotierten Preis überreichte.

Dass auch skurrile Kurzfilme herrlich unterhaltsam sein können, zeigte der belgische Kurzfilm „Green Fit“ von Maxime Pistorio, der den „Weird Movie Award“ erhielt. Im Mittelpunkt steht der eher unsportliche Xavier, der in die Fänge eines hoch technisierten Fitnessstudios gerät, das ihn mit seiner KI per Handy-App zwingt, 3000 Kalorien abzutrainieren. Die Idee zu diesem 17-minütigen Kurzfilm, der einen Menschen zwischen Fitnesswahn und Selbstbehauptungsversuch zeigt, sei ihm bei einem Spaziergang durch Paris gekommen, erläuterte Pistorio beim launigen Talk auf der Bühne.

Den hochklassigen Gewinner des „Best Art & Experimental Award“ konnte man nach einer Pause genießen: „Réminiscences“ („Erinnerungen“) nannte die Kanadierin Virginie Brunelle ihren elfminütigen Tanzkurzfilm, in dem drei sinnliche Tanzperformances von leidenschaftlicher Liebe und innerer Zerrissenheit erzählen. Die eindringlich ästhetische Choreographie der drei Paare folgt dabei der Dynamik gegensätzlicher Gefühle: Begehren erzeugt Abkehr und Einsamkeit erneutes Verlangen. Die grandiose Kulisse und perfekte Kameraführung, die von einer virtuosen Musik begleitet wird, brachten diesem Film zu Recht den Preis für den besten künstlerisch-experimentellen Kurzfilm ein.

Die Verleihung des Hauptpreises war dann zweifellos der Höhepunkt der Gala. „Datsun“ heißt nicht nur eine inzwischen vom Markt verschwundene japanische Automarke, sondern auch der 15-minütige Kurzfilm von Mark Albiston aus Neuseeland. Darin erzählt der Regisseur eine Adoleszenzgeschichte und bietet zugleich ein Roadmovie: Ein 14-jähriger Teenager will nicht akzeptieren, dass seine Mutter den Datsun seines verstorbenen Vaters verkaufen möchte, und bricht in dem Auto zusammen mit seinem besten Freund und seinem kleinen Bruder zu einer unvergesslichen Spritztour auf – einschließlich Sunset, Party, Alkohol, Joint, Mädchen und einer wilden Verfolgungsjagd mit der Polizei.

Die Jury war sich einig, dass diese Coming-of-Age-Geschichte den schwierigen Balanceakt im Spannungsfeld zwischen Charakterentwicklung und gleichermaßen komplexem wie spannungsreichem Plot wagt und grandios meistert. Das Drama erzählt unglaublich dicht an den Hauptcharakteren entlang und arbeitet dabei in unaufdringlicher Leichtigkeit und visuell herausragend eine ganze Palette an Jugendthemen auf. Brigitte Urban von der Audi AG überreichte dem Hauptdarsteller Mickey Reddish den mit 3000 Euro dotierten „Best Short Film Award“. Alle prämierten Filme zeigten tatsächlich Ausbruchsversuche aus der Normalität, die uns tagtäglich gefangen hält. Dass dies auch im Format des Short Film möglich ist, hat die 17. Auflage von 20minmax eindrücklich bewiesen.

DK