Grandiose Expressivität

Das Trio Gaon eröffnete brillant die neue Konzertvereins-Saison im Ingolstädter Festsaal

14.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:33 Uhr

Weiche Eleganz der frankophilen Lebensart: Das Trio Gaon gastiert beim Konzertverein. Foto: Schaffer

Von Heike Haberl

Ingolstadt – „Savoir vivre“ hieß das Programm, mit dem das Trio Gaon aus München in die duftige Leichtigkeit des Seins, aber auch in die weiche Eleganz der frankophilen Lebensart entführte. Und wie sehr die drei Musiker es genießen, ja geradezu zelebrieren, diese rein französischen Werke auf ihre ganz persönliche, warme und ehrliche Weise zum Klingen zu bringen, wie sehr sie sich den Komponisten innerlich verbunden fühlen, wie genau sie stets deren immanenten Tonfall treffen, spürt man in jeder einzelnen Phrasierung, bei jedem kleinsten Detail, das sie gemeinsam auf der Bühne des Theaterfestsaals formen.

Überraschend romantisch-suggestiv kommt im Vergleich zu seinen späteren impressionistischen Meisterwerken Claude Debussys frühes Klaviertrio in G-Dur daher, das während seiner Studentenzeit entstand und mitunter an Vorbilder wie Schumann, Fauré oder Tschaikowsky erinnert. Pianist Tae-Hyung Kim, Geigerin Jehye Lee und Cellist Samuel Lutzker gestalten es mit zarter, lichtdurchfluteter Empfindsamkeit, mit melodiös perlender Frische, mit überschäumend wogendem Esprit – fast so, als ob sie das Publikum mit hinaus in die freie Natur nehmen wollten.

Sogar noch expliziter gelingt ihnen das bei „D’un matin de printemps“ von Lili Boulanger, der einzigen Komponistin des Abends. Als erste Frau errang sie 1912 den begehrten Grand Prix de Rome. Die lebhafte Stimmungsschilderung eines Frühlingsmorgens interpretieren die drei bereits mehrfach preisgekrönten Künstler luftig, transparent, voll verführerischem Charme, ausgeprägter Imaginationskraft und hochinspirierter Intensität.

Ein perfekter Brückenschlag zum humoristisch geprägten Klaviertrio D-Dur von Jean Françaix aus dem Jahr 1986: Hier treffen augenzwinkernd überspitzte Anklänge an Wiener Kaffeehausmusik mit jazzigen Samba- und Tangorhythmen aufeinander, welche die Musiker herrlich vergnüglich zu ausdrucksstark-ironischem, facettenreich aufblitzendem Spielwitz verweben.

Der Höhepunkt dieses außergewöhnlichen Eröffnungskonzerts erwartete das Auditorium jedoch erst nach der Pause bei Maurice Ravels großartigem Trio in a-Moll. Mit welch geschmeidiger Elastizität das Ensemble Gaon diese hochgradig zerbrechliche Klangpoesie heraufbeschwört, mit welch geheimnisvoll schwebender Schwerelosigkeit es die Momente der heiteren Gelöstheit auskostet, lässt einem buchstäblich den Atem stocken. Doch gerade auch die dramatisch geballte Dichte, die nahezu wuchtig-orchestral anmutende Vehemenz des letzten Satzes gerät zum fesselnd gespielten, grandiosen Finale. Was für ein Spektrum an Expressivität – absolut überwältigend!

Als Zugabe kredenzen die Musiker ihren begeistert applaudierenden Zuhörern eine zauberhaft schwelgerische, berückend sinnlich dargebotene Bearbeitung von Francis Poulencs „Les Chemins de l'amour“. Bleibt nur zu hoffen, dass diesem phänomenalen ersten Auftritt in Ingolstadt noch viele weitere folgen werden.

DK