Es gibt Abende, die bleiben in Erinnerung. Zum Beispiel der mit Philippe Loli, dem monegassischen Stargitarristen, der zuletzt vor ziemlich genau zwei Jahren zusammen mit seinem Sohn Giuliano und dem Geiger Matthias Well ein denkwürdiges Konzert im Birdland Jazzclub in Neuburg gab.
Erinnerungswürdig ist auch das aktuelle, bei dem er zusammen mit den beiden Gitarristen Jean-Marc Scheit und Marco Micheli wieder mal, wie bei ihm üblich, die Schnittstelle zwischen Klassik, World Music, Filmmusik und Jazz für sein Repertoire auserkoren hat. Diesmal freilich aus einem ganz anderen Grund.
Die letzte halbe Stunde ist schiefgegangen
Es ist nun mal so, dass man sich am leichtesten merkt, was gründlich schiefgegangen ist. Und das ist bei diesem Konzert die letzte halbe Stunde. Mit gewohnter Souveränität haben sich Loli und seine Mitstreiter, beides versierte Instrumentalisten und mit starken Tenorstimmen ausgestattet, 60 Minuten lang wacker geschlagen, haben Flamenco, Bossa Nova, Samba, kubanischen Cha Cha und spanische Gitarren-Klassik für ihre Zwecke aufbereitet und arrangiert, kurz mal bei Ennio Morricone, Charles Aznavour und mit „Fragile“ sogar bei Sting vorbeigeschaut und die ausgewählten Stücke – auch die leichteren – mit ihrer Art der Umsetzung zu einem konzertanten Ereignis gemacht, das ihrer Bedeutung absolut entspricht.
Von „Compas“ zu „Volare“
Lolis eigene Kompositionen wie „Cafe Latino“, „Carnaval“, „Samba da Noche“ oder „Compas“ sind echte Perlen und wenn ein Könner wie er sie als Ausgangspunkt für eines seiner Soli benutzt, ist das allemal ein besonderes Ereignis. Auch an diesem Abend ist das so.
Dann aber sticht ihn der Hafer und er verabschiedet sich bewusst von dem bisherigen hohen Level und lässt sich auf Italo- und Ibero-Schlager wie Rocco Granatas „Marina“ und Domenico Modugnos „Volare“ ein. Ohne Not wohlgemerkt, denn das Publikum hat er zu diesem Zeitpunkt längst überzeugt von seiner Klasse. Warum nur tut er das?
Hat man bis hierher gedacht, hier sei endlich mal wieder jemand auf der Bühne, der spanische, lateinamerikanische und karibische Musik außerhalb des Jazz nicht automatisch mit folkloristischer Touristen-Anmache gleichsetzt, und war froh über genau diese Tatsache, dann tut diese Hinwendung zu oberflächlichem „Karneval in Rio“- und „Fiesta del Vino“-Muzak besonders weh.
Finaler Lichtblick: „My Way“
Obwohl dem Publikum, das freilich trotz des Einbruchs des Trios kurz vor der Ziellinie bis zum Ende mehrheitlich begeistert mitsingt und mitklatscht und sogar zwei Zugaben einfordert, weitere Machwerke wie „Guantanamera“ oder „Vamos à la Playa“ – oh ja, es gäbe da schon noch einiges an Grausamkeiten – erspart bleiben, ist die Sache ab diesem Zeitpunkt eigentlich gelaufen.
Trotz des finalen Lichtblicks einer durchaus hörenswerten Bearbeitung von „My Way“, das Loli Frank Sinatra zuschreibt, auch wenn es von Paul Anka stammt.
Was für Potenzial, welch künstlerische Klasse, welch hohe Kreativität, welch beeindruckende Darbietung aller drei Beteiligten als Instrumentalisten und als Sänger. Und dann diese Schlussphase, die besonders nachhallt.
Bei den einen, weil sie für sie die mit der ausgelassensten „Stimmung“ und damit die mit dem höchsten Unterhaltungswert war, für die anderen, weil sie sie so überaus enttäuschend fanden. Vor allem dann, wenn man sich vergegenwärtigt, welchen exzellenten Ruf Loli bislang in Neuburg hatte. Wohlgemerkt: Hatte.
DK
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