Theater am Sozialamt München
Emotionale Trigger: „Festerlieben Vol 2.“ hat Premiere

04.12.2024 | Stand 04.12.2024, 19:00 Uhr |
Barbara Reitter-Welter

Schon wieder Advent! Axel Röhrle ist im Stress. Foto: Seib

Am Anfang war nichts – außer Gott. So könnte die biblische Schöpfungsgeschichte beginnen, die man vielleicht im trauten Familienkreis Heiligabend vorliest, bevor es dann mit Josef und Maria im Stall von Bethlehem weiter geht. Doch sie entwickelt sich unerwartet, denn der Herr bekam eine Gemüsekiste geschenkt, aus welcher die Erbsen in alle Richtungen sprangen – und das Weltall war geschaffen. Franz Hohler hat diesen Text geschrieben, der bekannte Schweizer Schriftsteller, Kabarettist, Liedermacher und Meister absurder Reflexionen und satirischer Miniaturen. Er ist nicht der einzige, der alles rund um Advent und Weihnachten mit liebevoll boshaftem Humor hinterfragt: Wieso müssen arme Kinder im Märchen an Weihnachten eigentlich immer erfrieren? Ist der Stern auf dem Weihnachtsbaum nicht eher ein Auslaufmodell, das in den Müllschlucker gehört?

Für seine kleine Produktion mit dem geheimnisvollen Titel „Festerlieben Vol 2.“ im TamS hat sich Regisseur Lorenz Seib nicht nur Gedanken gemacht zum alle Jahre wieder kehrenden Fest, er hat dazu in der Literatur gestöbert. Dort stieß er auf Autoren, die teils ernst, teils humorvoll, einige, wie etwa Marie-Luise Kaschnitz auch nostalgisch mit dem verklärenden Blick der Kindheit „Weißt du noch?“, andere wiederum mit kritischer Distanz auf die staade Zeit und den Kulminationspunkt familiärer Krisen am 24.12. blicken. Aber auch auf Heile-Welt- Gedichte, lyrische Funde von Eichendorff bis Theodor Storm. Zwei Schauspieler, Irene Rovan und Axel Röhrle, lesen, erzählen, werkeln in ihrem chaotischen Heim, das in bester TamS Tradition voll gestopft ist und in jeder Ecke etwas Neues entdecken lässt (Ausstattung: Claudia Karpfinger). Nicht nur die vielen Christbaumkugeln und Tannenzweige, eine Waschwanne voller Glitzerketten im Regal und Ski an der Wand, sondern auch einen veritablen Backofen. Aus diesem zieht köstlicher Plätzchenduft durchs Theater, ja ein paar Zuschauer erhalten sogar eine Kostprobe.Fehlt eigentlich nur noch Glühwein für alle!

Die Atmosphäre ist entspannt, mit machen Momenten absoluter Ruhe, in denen dann tatsächlich Schnee vom Himmel rieselt. Selbst der hart gesottenste Weihnachtsmuffel kommt der Stimmung nicht aus, denn Musiker Cornelius Borgolte spielt am Keyboard alle Weihnachtslied-Klassiker, darunter „Alle Jahre weder“, aber auch altmodische, fast vergessene Weisen wie „Tochter Zion freue dich“ oder „Maria durch ein Dornwald ging“. Doch er modernisiert und variiert sie unverkitscht. Und während man eintaucht in Kindheitserinnerungen, verdoppeln sich die emotionalen Triggerbegriffe dank eines alten Projektors, der Worte wie LEISE, HIRTEN oder MORGEN an die Wand wirft. DK




ZUR PRODUKTION

Theater:

Theater am Sozialamt

Haimhauserstraße 13 a

Musikalische Leitung:

Cornelius Borgolte
Regie: Lorenz Seib
Ausstattung: Claudia Kar-
pfinger, Katharina Schmidt

Vorstellungen:

bis 23. Dezember

Kartentelefon:

(089) 34 58 90

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