Torten, Tassen, Gläser, Uhren, Stoffe, künstliche Pflanzen, Sofas aus verschiedenen Epochen und Milieus, Telefone in allen Farben und Formen, ganze Kinderzimmereinrichtungen, Gemäldegalerien, historische Highlights, Designklassiker. In den drei Requisitenhäusern Studio Babelsberg, Delikatessen Requisiten Fundus Berlin und FTA Props in Hamburg wartet all das auf seinen Einsatz – in einem Film, beim Fotoshooting, als Dekoration für ein Event. Oder auch, um die multimediale Ausstellung „Monets Garten“ mit künstlichen Pflanzen zu bestücken.
„Die Ausstattung der Welt“ haben Susanne Weirich und Robert Bramkamp ihren Film genannt, in dem sie den Zuschauer mitnehmen in die Welt der Dinge. Dinge, die man kennt – aus dem eigenen Zuhause oder aus dem Fernsehen, aus Produktionen wie dem „Großstadtrevier“, „Babylon Berlin“ oder „Verbotene Liebe“. Dinge, die längst ausgemustert und durch Neues ersetzt wurden. Dinge, die für eine bestimmte Zeit stehen, für eine gesellschaftliche Schicht, ein soziales Ambiente, einen Trend, eine ganz eigene Poesie. Hunderttausende Dinge, die Kopfkino in Gang setzen und Zeitreisen ermöglichen.
Die Kamera streift durch die Regale der riesigen Lagerhäuser, nimmt immer wieder Einzelstücke in den Fokus und fängt die Personen ein, die dort arbeiten, von Ordnungsprinzipien erzählen und vom Eigenleben der Requisiten. Die werden verpackt, neu sortiert, fotografiert, definiert, digitalisiert, ausgewählt. Ein Film, der unseren Blick auf die Welt verändert. In dieser Woche ist der Film bundesweit in den Kinos angelaufen.
Die Idee dazu entstand durch ein Gespräch mit Susanne Hein über ihren Requisitenfundus Delikatessen, berichtet Robert Bramkamp. „Wir hatten keine genaue Vorstellung davon, was das ist. Als wir dort hinfuhren, entdeckten wir eine mehrstöckige Fabrik mit 48 000 Objekten, die sofort die Fantasie entzündet hat, was man alles mit diesen Dingen drehen könnte.“ Die beiden haben sich auch andere Funden angeschaut – den Fundus Studio Babelsberg und FTA Props in Hamburg – und festgestellt: Jeder Fundus hat eine andere Logik und eine spezielle Community.
Geplant war zunächst, ein Exponat aus dem Requisitenfundus von der Auswahl über den Transport zum Filmset bis zum Einsatz und dann im fertigen Film zu zeigen, erklärt Susanne Weirich. Doch das erwies sich als unmöglich – nicht nur durch die Corona-Beschränkungen (gedreht wurde zwischen 2020 und 2023), sondern auch der rechtlichen Vorbehalte der Filmproduktionsfirmen wegen.
Susanne Weirich und Robert Bramkamp haben sich deshalb für einen anderen Weg entschieden. „Der Film versucht einen Raum zu eröffnen, in dem z. B. die Frage nach der Zeit, die Frage nach der Zukunft der analogen Dinge im digitalen Zeitalter, die Frage nach dem historischen Gedächtnis eine Rolle spielen“, erklärt Robert Bramkamp. „In diesen Raum wollten wir eine Figur einbetten, die die postkolonialen Perspektiven, die man in so einem Fundus entdeckt, beinhaltet.“ Und so schlüpft die BiPOC-Aktivistin (die Abkürzung bezieht sich auf Schwarze, Indigene und People of Color) Thelma Buabeng in die Rolle einer Doktorandin der Postcolonial Studies, die im Fundus über afrikanische Objekte recherchiert, dabei auf koloniale Originale, „Airport Art“, rätselhafte oder rassistische Gegenstände stößt und schließlich auf das Porträt einer „African Woman Holding a Clock“. Im Verlauf des Films spürt sie die Geschichte des Bildes auf, das seit 2021 Teil der Sammlung des Louvre Abu Dhabi ist. Und der Zuschauer erfährt: Bei dem Bild von Annibale Carracci handelt es sich um ein Fragment, der Großteil der Leinwand mit der ursprünlich weißen Protagonistin wurde in einem Feuer zerstört. Die schwarze Dienerin erscheint jetzt neu gerahmt als die Hauptfigur des Gemäldes. Sie posiert mit einer aufwendig gearbeiteten sechseckigen Uhr. Es ist eine kostbare und sehr seltene, vergoldete Türmchenuhr aus dem 16. Jahrhundert aus deutscher Produktion. Durch diese Geschichte in der Geschichte und speziell durch die Figur von Thelma werden aber auch ganz pragmatisch die drei Funden in Beziehung zueinander gebracht.
Und noch etwas verbindet die drei Hallen auf unkonventionelle Weise: ein kleiner roter blinkender Plastikfisch, der allerdings nicht aus einem der Funden stammt, sondern „uns in Shanghai in einem Kaufhaus vor die Füße gerollt ist“, erzählt Robert Bramkamp. Susanne Weirich: „Er steht dafür, dass die Dinge ein Eigenleben haben. Er ist recht neugierig und führt uns in Ecken, wo wir noch nicht waren.“ „Der Fisch ist Kapellmeister der animierten Dinge“, fügt Robert Bramkamp an. „Er macht auch ein bisschen Co-Regie.“
Auf dem 66. DOK Leipzig 2023 feierte die 99-minütige Dokumentation Weltpremiere, jetzt läuft er in den Kinos. Und zeigt überraschende Einblicke in eine Parallelwelt: Der Fundus als Ort der Erinnerung, aber auch als Ort der Möglichkeiten. Schließlich findet man hier Kulissen und Hauptdarsteller für all die Geschichten, die noch erzählt werden können.
DK
Die Ausstattung der Welt von Susanne Weirich und Robert Bramkamp, 99 Minuten.
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