Stadttheater oder Staatstheater?
Der neue Ingolstädter Intendant Oliver Brunner kennt beide Rechtsformen

Er findet: „Staatsschauspiel Ingolstadt - liest sich sehr gut und selbstbewusst“

09.08.2024 | Stand 09.08.2024, 17:00 Uhr |

Salut! Bonjour! Servus! Szia! Seit kurzem hängen rund um das Theater und im Stadtgebiet Willkommens-Banner in 27 verschiedenen Sprachen. Der neue Intendant Oliver Brunner und sein Team wollen mit der interkulturellen Kampagne alle Bewohner und Bewohnerinnen Ingolstadts ansprechen. Foto: Eberl

Ingolstadt – „Keine falsche Bescheidenheit. Unser Stadttheater bietet hochklassige Kunst. Wir können oben mitspielen.“ Mit diesen Worten wirbt SPD-Fraktionschef Christian De Lapuente für den Antrag seiner Partei, das Stadttheater Ingolstadt zum Staatstheater aufzuwerten. Die deutsche Theaterlandschaft, mit ihren Subventionen wahrscheinlich die finanziell bestausgestattete der Welt, kennt mit Stadt-, Staats- und Landestheater mehrere Arten von Bühnen. Im Prinzip spielen natürlich alle nur Theater, alle sind mischfinanziert und jedes Haus versucht sich auf eigene Art und Weise zu profilieren. Allerdings zahlt sich die Ernennung zum Staatstheater finanziell aus. In Bayern übernimmt der Staat bei einem Staatstheater 50 Prozent der Betriebskosten, bei kommunalen Spielstätten sind es nur 25 Prozent. Wir wollten wissen, wie Oliver Brunner, der neue Ingolstädter Theaterintendant zu dieser Forderung der SPD steht – und erreichten ihn im Urlaub.

Herr Brunner, Sie kommen aus einem Staatstheater. Seit 2016/17 waren Sie Schauspieldirektor am Staatstheater Darmstadt. Vielleicht können Sie kurz den Unterschied zwischen einem Staatstheater und einem Stadttheater erklären? Geht es nur ums Geld?
Oliver Brunner: Ich habe im Verlaufe meines nunmehr 27 jährigen Berufsleben am Theater beide Rechtsformen, das Stadttheater (Kammerspiele, Theater Augsburg, jetzt Ingolstadt) und das Staatstheater (Residenztheater, Darmstadt) kennen und schätzen gelernt. Natürlich geht es ums Budget, um mehr Personal, Sicherheit, Zugehörigkeit und natürlich Sichtbarkeit. Ein Staatstheater befindet sich in der Regel zu mindestens 50 Prozent in der Rechtsträgerschaft eines Bundeslandes, war ursprünglich mal ein Hoftheater oder das Sinnbild einer Gebietskörperschaft. Das Theater Ingolstadt als Bekenntnis zu Kultur, Literatur und Treffpunkt der Stadtgesellschaft begründet, ist ein Betrieb mit kommunalem Träger.

Staatstheater gibt es in München, Nürnberg, Augsburg – und ab 2025/26 auch in Regensburg. Seither wird immer wieder mal auch in Ingolstadt die Forderung nach einem Staatstheater laut. Jetzt hat die Ingolstädter SPD einen Antrag gestellt. Unterstützen Sie diese Forderung?
Brunner: Das Stadttheater Ingolstadt steht hervorragend da, hat mit seinem Ensemble und seinen künstlerischen Erfolgen eine Strahlkraft weit über die Stadtgrenzen hinaus. Meine Vorgänger kennt die deutsche Theaterlandschaft, sie haben sie mitgeprägt. Hier sind zu nennen Ernst Seiltgen, Wolfram Krempel, Peter Rein und Knut Weber, der 13 Jahre lang starke Impulse in die Stadt und in die Struktur (unter anderem Gründung der Sparte Junges Theater) gegeben hat. Ingolstadt als fünftgrößte bayerische Stadt und die Region von Oberbayern könnten stolz auf ein neues Bayerisches Staatsschauspiel sein. Zuletzt hatte das Münchner Residenztheater (Residenztheater, Cuvilliéstheater, Marstall) unter Dieter Dorn noch diese Bezeichnung.

Hat ein Staatstheater eine höhere Strahlkraft als ein Stadttheater?
Brunner: Bayerische Staatsoper, Theater am Gärtnerplatz, Bayerisches Staatsschauspiel, Staatstheater Nürnberg, Staatstheater Augsburg, Staatstheater Regensburg, Staatstheater Würzburg, Staatsschauspiel Ingolstadt. Liest sich sehr gut und selbstbewusst.

Ein Staatstheater bedeutet zugleich das Bekenntnis der Rechtsträger zur Standortsicherung. Braucht Ingolstadt so eine staatliche „Rückendeckung“?
Brunner: Ich denke, dass es in diesen dynamischen Zeiten einfach gut ist, wenn Freistaat und Stadt gemeinsam einer solchen bedeutenden Institution finanziell und politisch den Rücken stärken. Auf in die Zukunft! Der wunderbare Hämer-Bau und die Leidenschaft aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hätten es verdient.

Inwiefern hätte der Status Staatstheater Einfluss auf Ihre künstlerische Arbeit?
Brunner: Ich mache immer Theater für den Standort, mit dem Standort, identifiziere mich mit ihm, seinen Themen, Bedürfnissen, Wünschen und Träumen. Aber vielleicht kann ich so mehr „zaubern“, eben noch mehr strahlen, was die Verabredungen mit internationalen Künstler und Künstlerinnen, größere Kooperationen und Festivals angeht, weil der Druck auf das Budget und die Belegschaft weniger wird. Ich denke hier insbesondere an eine weitere Stärkung des Jungen Theaters und auch an den möglichen Wiederaufbau einer digitalen Sparte.

DK

Die Fragen stellte Anja Witzke.



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