Das Museum für Konkrete Kunst zeigt Werke von Joachim Fleischer

Die Ausstellung ist eine Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz

28.07.2022 | Stand 22.09.2023, 20:35 Uhr

Von Jesko Schulze-Reimpell

Ingolstadt – Vielleicht hat Theres Rohde, die Museumsdirektorin, ja recht. Da ist noch ein merkwürdiges Wesen im Erdgeschoss des Museums für Konkrete Kunst, eine Künstliche Intelligenz. Jedenfalls scheint da etwas zu atmen, während der Ausstellungseröffnung am Mittwochabend. Zwei Punktstrahler werfen einen Lichtkreis an die Wand, er schwellt mal an, dann wieder ab, er leuchtet stärker dann wieder schwächer, in einem geradezu organischen Rhythmus. Das genügt fast schon, um für uns menschlich oder wesenhaft zu wirken. Wir lassen uns da gerne irreführen. Aber was ist das? „Etwas“ nennt sein Schöpfer, der Künstler Joachim Fleischer seine Installation, die er speziell für diesen Raum gestaltet hat.

Über die Grenzen, die immer mehr zwischen Organischem und Anorganischem, Mensch und Roboter, zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz zerfließen, geht es in seinen Werken, die derzeit in dem Ingolstädter Museum unter dem Titel „künstlich-artificial“ gezeigt werden. Auf fast all seinen Fotografien stehen sich Menschen und Roboter gegenüber. Die Roboter mit ihren langen Greifern wirken wie eine langgliedrige Lebensform – kaum anders als die Menschen, die mit ihnen arbeiten oder sie betrachten.

Damit wirft Fleischer eine der großen Fragen der Gegenwart auf: Wie gehen wir mit Künstlicher Intelligenz um, wie mit denkenden Robotern? Tatsächlich sagt allein diese Frage einiges über uns selbst aus. Denn Menschen tendieren dazu, ihre Umgebung als beseelt, als anthropomorph zu interpretieren. Geräten, die bereits einen Funken Eigenständigkeit besitzen, geben wir Namen, wir fangen sogar an, mit ihnen zu reden. So ist ein Gang durch die Ausstellung auch eine Erkundung unserer eigenen Vorstellung dessen, was wir als Lebewesen definieren.

Da schweben etwa zwei Lichtkugel über die Wände des Museums, sie scheinen aufeinander zu reagieren, als wären sie intelligent. Natürlich wirkt das nur so, aber das genügt bereits, für leichten Grusel, zumindest für Irritation bei den Besuchern zu sorgen. Oder die Bilderserie „(der, die) andere“, die in Zusammenarbeit mit der Dürr AG in Bietigheim-Bissingen 2018 entstand. Immer wieder stehen sich dort Industrieroboter und Menschen gegenüber. Aber das starke Gegenlicht, lässt die Gliedmaßen und Greifer von Mensch und Maschine als dunkle schlangenartige Gebilde begreifen, die sich verblüffend ähneln. In der Installation „Duett“ hingegen, die als Video im Museum erlebbar ist, stehen sich zwei Industrieroboter gegenüber und scheinen zu interagieren – wie in einem Gespräch oder einer Ballett-Choreographie: ein Pas de deux für Maschinen.

Vielleicht ist diese Ausstellung auch deshalb so faszinierend, weil sie genau in die Zeit passt und vor allem zu diesem Ort. Ingolstadt begreift sich immer mehr als Hightech-Region, die vertieft im Bereich KI forscht. Wo, wenn nicht hier, wird man wahrscheinlich in naher Zukunft selbstständig agierende Maschinen erleben können? Die Ausstellung ist eine gute Möglichkeit, sich auf das heranbrechende Zeitalter vorzubereiten.

DK