Das Ende von Strunzenöd

Zum Lachen in den Keller: Michael Altinger gastierte in der Ingolstädter Eventhalle

24.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:54 Uhr

„Lichtblick“ heißt der letzte Teil von Michael Altingers Strunzenöd-Trilogie, den er in der Eventhalle präsentierte. Foto: Leitner

Von Karl Leitner

Ingolstadt – Eines Tages, wenn der Schlachtenlärm verklungen ist und der Pulverdampf sich verzogen hat, wird man die Inschrift auf dem Grabstein entziffern können: Hier ruht Strunzenöd. Und mit ihm, dem imaginären Ort, den man weder auf einer Landkarte noch auf Google Earth findet, mit dem sich Michael Altinger seit Jahren in seiner Programmtrilogie herumschlägt, ruhen hier gleichsam eine ganze Ära und ein Meilenstein des bayerischen Kabaretts.

Strunzenöd sei überall, dachte man immer, in jedem Kaff, in dem dem Klischee nach Jauchegrube, Schützenfest und BayWa-Lagerhaus einst eine untrennbare Symbiose eingingen. Doch Strunzenöd war im Grunde nur ganz am Rande eine geografische Erscheinung, war immer hauptsächlich ein gedankliches Biotop, ein im Rückblick verklärter Sehnsuchtsort, über dessen sympathisches Hinterwäldlertum Altinger sich drei Programme lang lustig machen konnte, den er aber dennoch immer liebte. Jetzt ganz besonders, nachdem es ihn nicht mehr gibt, weil er ihn selber zu Grabe getragen hat.

„Lichtblick“ heißt der abschließende Teil der Altinger'schen Trilogie, in dessen erster Hälfte es dem Nabel der Welt, der Strunzenöd nun mal ist, noch gut geht, auch wenn sich bereits hier andeutet, das es sich dabei um nichts anderes als eine Zeitblase handelt, der der unbeschwerten Jugend, in der alles doch so viel einfacher war. Nur wer einer zünftigen Schlägerei, einem zünftigen Besäufnis nicht aus dem Weg ging, galt als echter Kerl, zu dem die Weiblichkeit aufsah. Man wusste um die krummen Geschäfte des Bürgermeisters, verzieh sie ihm jedoch sofort, sobald er zu einem dreitägigen Sommerfest einlud. „Wir hier drinnen sind die Guten. Und draußen? Lauter Deppen!“ sagt er in bester „Mia san mia!“-Manier gleich zu Beginn und nimmt seine Zuhörer aus der Eventhalle mit in eine Welt, in der Freundschaften noch was galten, es keinen Algorithmus gab und man mit dem VW Käfer noch mit Vollgas durch die Ortschaft brettern konnte.

Nach der Pause findet das Idyll sein Ende, wird der gedankliche Zufluchts- und Sehnsuchtsort entzaubert. Der Prozess findet schleichend statt, weil Altinger nicht nur ein Lausbuben-Typ ist, sondern auch ein ausgefuchster Rattenfänger. Zuerst führt er sein Publikum aufs Eis, dann haut er genüsslich Loch und Loch hinein. Bis man merkt, wie hier gerade eine ganze Welt untergeht, ist es zu spät, ist Blase geplatzt, sind die Strunzenöder – und wohl auch die Zuschauer in der Eventhalle, sofern sie ein Alter erreicht haben, in dem sie wie alle Generationen vor ihnen die jeweils nachfolgende für unfähig halten dürfen – ziemlich hart in der Realität gelandet. Man lacht zwar, weil Altinger selbst als Zerstörer noch ungemein witzig und lustig ist, so richtig wohl ist einem dabei aber nicht.

„Lichtblick“ ist in erster Linie eine Abrechnung, birgt aber auch, wie der Titel verrät, Positives. Nein, weder die Welt, noch Altinger, noch sein Publikum werden ohne Strunzenöd untergehen. Obwohl: Hatten wir uns nicht alle so überaus wohlgefühlt und wiedererkannt in diesem von Altinger so herrlich überzeichneten Kaff ? – Genau. Aber irgendwann, wenn alles gesagt ist, ist es Zeit aufzuwachen und neu anzufangen.

DK


Mit „Die wirklich wahre Geschichte von Bonnie und Clyde“ ist Michi Altinger zusammen mit Constanze Lindner und Alexander Liegl von 27. Juli bis 13. August im Münchner Lustspielhaus zu erleben. Infos unter www.lustspielhaus.de.