Im Interimsquartier
Comic trifft auf Hochkultur: Villa Stuck in München zeigt den Künstler Hank Schmidt in der Beek

26.11.2024 | Stand 26.11.2024, 19:02 Uhr |
Joachim Goetz

Onkel Dagobert, der kleine Maulwurf oder Mainzelmann Anton treffen Kasimir Malewitsch oder Rene Magritte: Arbeiten von Hank Schmidt in der Beek. Fotos: Galerie Christine Mayer

Mitunter wird es recht lustig, wenn sich kreative Künstler ungefragt in der seriösen Kunsthistorie tummeln – und sich einfach so der Werke ihrer Kollegen bemächtigen. Die Fachspezialisten und das Publikum staunen, und es bringt sie oft zum Nachdenken.

Die US-Amerikanerin Elaine Sturtevant (1924–2014) mühte sich einst damit ab, Kunstwerke berühmter Kollegen originalgetreu – sozusagen als Kopie nach (alten) Meistern – nachzumalen, versah diese Werke aber mit ihrer Signatur. Weil sie ja von ihr geschaffen waren.

Nun macht sich der in Berlin lebende Hank Schmidt in der Beek (geb. 1978 in München) frech an die Klassiker der Moderne. Er konfrontiert in seinen Collagen Salvador Dalí, Pablo Picasso oder Vincent van Gogh mit Goofy, dem Bastelschlumpf oder den Peanuts.

Popkultur gegen Kunstgeschichte

Comic versus Hochkultur. Popkultur gegen Kunstgeschichte. So sehen es bestimmt viele. Vielleicht ist ja aber auch eine erquickliche Kooperation zweier lediglich unvereinbar erscheinender Parallelwelten entstanden. Berührungen zwischen den Welten gab es schließlich immer mal wieder. Obwohl der Comic ja gerne als trivial abgetan wird, ließen sich etwa Roy Lichtenstein, Andy Warhol oder Mel Ramos durchaus von diesen banalen Bilderwelten inspirieren.

Im Interimsquartier der Villa Stuck in der Münchner Goethestraße sind nun Schmidt in der Beeks Kreationen zu sehen. Da druckt Micky Maus zwischen Niele Toronis kleine rote regelmäßig angeordnete handgemalte Quadrate von 1973 einfach noch einen roten Kussmund dazu. Will uns die Maus damit sagen: Da fehlt doch was? Und die Antwort geben: So ein bisschen Gefühl? Man muss den Künstler fragen.

Daisy Duck mit der Ketchup-Flasche

Einfacher wird es mit Hermann Nitschs blutrotem „Schüttbild mit Malhemd der 19. Malaktion 1986“. Oben auf dem Hemd thront Daisy Duck, hält eine Plastikflasche in der Hand und sagt „Ausgerechnet Ketchup. Das geht doch bei der Wäsche so schlecht raus!“

Gut, das Rote, was auch immer seine Bestandteile sind, bleibt ja drin im Hemd – und wird zur Kunst. Nitsch selber schrieb über seinen roten Farbstoff: „ich werde mein weisses gewand beflecken mit nassfeuchten, purpurtraubigen blutstropfen. ölige, fette, fruchtfleischrote blutstropfen und blutstinkende, feuchte schweissflecken tränken das garn des kleides.“ Okay.

Den sowjetischen Konstruktivisten und Suprematisten verleiht der Künstler mitunter noch mehr Dynamik als die ohnehin schon in ihren Schöpfungen enthaltene. In Lubow Popowas „Malerische Architektonik“ von 1917 baut er eine Sprungfeder ein, so dass das Bild zur aufspringenden Falltür mutiert.

Spongebob Schwammkopf mit der Schere

Und in Olga Rosanowas „Flug in einem Flugzeug“ dürfen angstvoll dreinblickende Mainzelmännchen mitfliegen. Das Bild von 1916 erinnert schließlich mehr an eine Explosion als an beschauliches Dahingleiten über den Wolken. Spongebob Schwammkopf setzt mit entschlossenem Blick die Schere an eine Art Schnur in Francis Picabias Zeichnung „Dance de Saint Guy“ von 1930. Und droht mit dem angekündigten Schnitt die gesamte Komposition zum Einsturz zu bringen. Überhaupt Schnüre: Damit ist Schmidt in der Beek für diese Schau, die den Titel „Drachensaison in der gegenstandslosen Welt“ trägt, in seinem Element.

Aus manchen Konstruktivisten macht Schmidt in der Beek Drachenflieger. Ihre abstrakten geometrischen Flächen-Figurationen erinnern ihn offensichtlich an fantasievolle Lenkdrachen, wie sie im Herbst bei gutem Wind auf freien Feldern und Flächen von den Wind-Begeisterten in luftige Höhen getrieben werden.

Lucky Luke wird zum Drachenlenker

„Acht rote Rechtecke“ (1919) von Kasimir Malewitsch interpretiert er zum Flugobjekt, hängt eine Schnur an das unterste Rechteck und lässt Tick, Trick und Track sich gegen den Wind stemmen. Das bringt einen zum Lachen. Auch Onkel Dagobert und Lucky Luke dürfen mit Malewitsch zu Drachenlenkern werden.

Während Man Rays gefesselte Venus, die heute ein wenig an SM-Bondage-Spielchen erinnert, mit einer kleinen Zeichnung verschönert wird. Völlig in Schnüre verhedderte Figuren sind drauf zu sehen – und die Aufschrift: „Charlie Braun, wir sind alle sehr froh, wenn die Drachen-Saison endet!“

Und wir? Können die Erkenntnis gewinnen, dass dieses Crossover der anderen Art Humor besitzt, voller Zitate ist, eine frische Sicht auf möglicherweise Verstaubtes erlaubt, Hemmschwellen abbaut und Kreativität fördert. Auf manchen wirkt es sicher despektierlich – ist aber auch ausgesprochen amüsant.

DK


Interimsquartier Villa Stuck, Goethestraße, bis 16. Februar 2025.

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