Balsam für die Seele

Das Philip Catherine-Paulo Morello Trio im Birdland

20.11.2022 | Stand 19.09.2023, 4:40 Uhr

Einer der wichtigsten Gitarristen des europäischen Jazz überhaupt: Philip Catherine. Foto: Leitner

Von Karl Leitner

Neuburg – Kann Musik Balsam für die Seele sein, heilende Wirkung entfalten, einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern, das Herz öffnen? In seltenen Momenten kann sie das. Glücklich zu schätzen ist der, der Ohrenzeuge eines solchen wird und ihn auch zu würdigen weiß. Wie zum Beispiel die Menschen, die sich aufgemacht hatten, dem Philip Catherine-Paulo Morello Trio im Birdland zu lauschen.

Der Belgier Catherine, seit Jahrzehnten einer der wichtigsten Gitarristen des europäischen Jazz überhaupt, Paulo Morello, einer der versiertesten Vertreter an den sechs Saiten hierzulande, dazu das Bass-Ass Sven Faller – das ergibt an diesem vorletzten Abend des Birdland Radio Jazz Festivals ein Dreamteam, das ganz einfach großartig ist, aber nicht im Sinne von spektakulär.

Die drei bevorzugen die leisen Töne, spielen wunderschöne Melodien in edlem Klangbild und filigrane, raffinierte Linien. Musik von Ästheten für Ästheten, vorgetragen mit betörender Eleganz, serviert mit leisem Humor. Diese Musik geht unter die Haut. Wenn man länger zuhört, was man bei einem Livekonzert gottlob ja darf, kann es sein, dass man ihr verfällt.

Catherine und Morello haben Stücke Menschen gewidmet, die ihnen besonders wichtig sind. Sie heißen „Louisella“, „To Martine“ und „Claudia‘s Delight“. Wer so beschenkt wird, darf sich wahrlich glücklich schätzen. Der Klassiker „I‘ll See You In My Dreams“ gehört in der Version dieses Trios in jedes Lehrbuch, all die übrigen Eigenkompositionen der beiden Gitarristen auch. Nur leicht verstärkte Instrumente, absolute Präzision im Zusammenspiel, hinreißende Arrangements, in denen für jeden Ton der einzig richtige Platz vorgesehen ist, die aber auch Luft lassen für spontane Ideen, das blinde Verständnis der drei Musiker untereinander.

Vermutlich kommt das, was man an diesem Abend im Birdland zu hören bekommt, der Bezeichnung „perfekt“ ziemlich nahe. Wenn der eine soliert, nehmen ihn die beiden anderen augenblicklich unter ihre Fittiche, betten ihn liebevoll. Hier gibt es keine Konkurrenz, im Gegenteil, das Trio ist eine absolute Einheit, in der die Nähe der Beteiligten untereinander entscheidend ist, in der der eine schon lange im Voraus zu wissen scheint, was der andere vorhat. In der Schönheit, der Lieblichkeit, der Anmut der Musik liegt auch ihre Kraft. Wobei erstere ebenso weit entfernt ist von hirnlosem esoterischem Fließband-Gedudel wie letztere von Power rein um des Effektes willen. Nein, Schönheit, Liebreiz und Kraft sind in diesem Fall nicht aufgesetzt, sondern kommen von innen, was das Publikum im ausverkauften Saal natürlich spürt und ein ums andere Mal mit Szenenapplaus quittiert.

Und als man dann schließlich nach diesen beiden denkwürdigen Stunden den Club verlässt und hinaustritt in die regnerische Nacht, kann es sogar sein, dass einem das Wetter plötzlich völlig egal ist und einem die Welt ein kleines Stück freundlicher vorkommt. Was für eine tolle Form der Therapie!

DK


Ausgestrahlt wird der Mitschnitt am Freitag, 17. März, in der Sendung „Jazz auf Reisen“ ab 23.05 Uhr auf BR Klassik.