Am passenden Ort

Flamenco-Festival: Tablao-Abend mit Manuel Reina in der Neuen Welt

30.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:05 Uhr

Spannung und Nähe: Der Flamenco-Abend mit Manuel Reina wirkte authentisch in der Neuen Welt. Foto: Nassal

Von Katrin Poese

Ingolstadt – Der Tablao-Abend beim Flamenco-Festival, benannt nach den Tanz- und Musikbühnen in Spanien, hat den Ort gewechselt: vom Ingolstädter Kulturzentrum neun in die Neue Welt. Und diese Veränderung hat dem Format gutgetan. Sie hat dem Publikum am Donnerstag einen Abend voller Energie beschert, einen Abend wie man ihn in vorpandemischen Zeiten in der Neuen Welt kannte: jeder Tisch dicht an dicht besetzt, die Stimmung bestens.

Im Kulturamt hatte man sich für den Wechsel entschieden, weil die Kleinkunstbühne den spanischen Tablaos ähnele – und die Vorteile waren sofort spürbar. Flamencotänzer Manuel Reina war schon 2020 beim Festival zu Gast gewesen und seine Performance tat auch im viel größeren Raum des Kulturzentrums neun ihre Wirkung. Nun in diesem engen, vollen Raum aber war seine Energie wie eine hohe Welle, die mit Wucht bis an die hintere Wand am Tresen klatschte. Wenn der spanische Tänzer seine Arme dramatisch ausbreitete wie ein Greifvogel seine Schwingen, schien er die kleine Bühne fast ganz auszufüllen. Das Krachen seiner Absätze auf den Bühnenbrettern konnte nicht verhallen, seine bohrenden Blicke sich nicht verlieren, also entfalteten sie stattdessen ihre volle Wirkung auf das Publikum: Raunen begleitete Reinas Momente der Ruhe, wenn er, die Körperspannung aufbauend, nur die Arme hob und schnipste. Das Raunen wurde zum Jauchzen, wenn die Spannung sich dann passend zur Musik entlud und er sich rasant drehte, den Rhythmus stampfte und sich völlig entfesselt auf Oberschenkel und Brust patschte.

Manuel Reinas Tanz war allerdings nur ein Teil der wogenden Energie des Abends: Der andere Teil war dem großartigen Musikensemble mit Gitarre und zwei Sängern zu verdanken. Auch in ihren Stücken ohne Tanz zeigte sich, wie passend der Raum war: In seinem Solostück, einer Granaína, spielte Josel Ratsch die Gitarre voll, bauchig und mit melancholischer Kraft. Sie wurde von der Menschenmasse aufgesogen und weitergewärmt. Ähnliches passierte mit den Emotionen, die Juan Cárdenas und Javier Castrillón in ihren Gesang legten. Auch hier funktionierte die Spannungsübertragung aufs Publikum: Denn unter ihren offenbar oft schweren, existenziellen Themen wanden sich die beiden auf ihren Stühlen, pressten, schmetterten oder raunten die Töne hervor und wussten die Wirkung mit rhythmischem Klatschen zu steigern.

Und vor allem war es großartig, nah dran zu sein, wenn all das zusammenwirkte – denn das ist ja die Spezialität dieser Kunstform. Wenn die Musik dichter wurde, baute der Tänzer langsam Spannung auf. Wenn sie sich dann entlud, beschleunigten die Sänger auch ihr Klatschen, sie johlten und feuerten Manuel Reina an, während Josel Ratsch an der Gitarre immer tollkühner wurde. Und auch das Publikum war Teil des Ganzen, indem es die Energiewelle als Jubel und Applaus wieder zurückspielte und die Spannung so noch länger aufrechterhielt. Nach zwei gut halbstündigen Sets war es leider schon vorbei: Aber die Künstler hatten sich in dieser Zeit auch nichts geschenkt. Dichte, Intensität, Vollgas, Jubel – das war die Essenz des Abends.

DK