München
Zwischen Vision und Irritation

Auf "Greatest Hits"-Tour: Die Einstürzenden Neubauten lassen es in der Münchner Philharmonie im Gasteig richtig scheppern

10.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:02 Uhr
Blixa Bargeld bleibt der Dreh- und Angelpunkt der Einstürzenden Neubauten, die viel Blech auf die Bühne brachten. −Foto: Buchenberger

München (DK) Der Auftakt der Experimental-Musik-Legende Einstürzende Neubauten fällt mit der finsteren Nummer "The Garden" und dem darin stetig wiederholten markanten Bassriff noch relativ konventionell aus.

Aber der Blick auf das mit allerlei Instrumenten und Klangkörpern vollgestellte Szenario lässt vermuten, dass das nicht so bleiben wird. Und in der Tat ist das, was die zu Beginn der 80er-Jahre in Westberlin gegründete Formation um Sänger bzw. Sprecher Blixa Bargeld in den kommenden zwei Stunden auf- und abzieht, immer noch alles andere als normal oder herkömmlich.

Auf der meist hell erleuchtenden oder von den Seiten angestrahlten Bühne inszenieren Bargeld und Bassist Alexander Hacke - beide barfuß - und ihre vier Kollegen an diversen Schlagwerkzeugen, Keyboard und Gitarre faszinierende, aber auch stellenweise verstörende und fordernde Sounds. Eine blaue Percussiontonne ist dabei noch das normalste Utensil, das zur Tonerzeugung verwendet wird. Die drehende bespielte Metallspirale, die an einen Heizkörper erinnert, ist schon etwas ungewöhnlicher. Oder die miteinander verbundenen Rohre, die bei Stücken wie "How Did I Die? " zum Einsatz kommen.

Bargeld erklärt auf Englisch, dass man sich genormte Rohre einfach auf die gewünschte Länge und Tonlage zurechtschneidet. Nach Zwischenrufen aus dem Publikum geht er ins Deutsche über und meint sogar: "Ich würde ja gerne Bairisch sprechen. " Der Wechsel zwischen Englisch und Deutsch in den Ansagen entwickelt sich zu einem Running Gag, passt aber auch zu den Stücken mit so unterschiedlichen und ungewöhnlichen Titeln wie "Dear Friends (Around The Corner)" oder "Unvollständigkeit".

Abgesehen davon sind die Texte auch nicht immer gut verständlich, was aber erkennbaren abstrakten Formulierungen wie "die neuen Tempel haben schon Risse" aus "Die Befindlichkeit des Landes" eine besondere Wirkung verleiht. Klanglich geht es ebenso hin und her zwischen düsteren, beinahe chansonartigen Titeln und experimentellen Nummern mit innovativem Instrumentarium. Da werden zur Untermalung schon mal Metallteile, die wie Besteckrohlinge aussehen, von oben herab gekippt oder mit dem Druckluftschlauch in die häufig verwendeten Röhren geblasen. Es geht aber auch etwas einfacher, wenn Bargeld sich bei einem Intro auf die Wangen schlägt oder lautstark an einer Zigarette zieht. Trotz gelegentlicher Eingängigkeit einiger Stücke und unbestreitbarer Faszination des Geschehens machen es die Einstürzenden Neubauten dem Hörer immer noch nicht leicht. Beispielsweise wenn sie bei "Silence Is Sexy" dann tatsächlich Stille während des Songs einkehren lassen oder als Kontrast zur Zugabe "Let's Do It a Dada" mit allem herumlärmen, was gerade greifbar ist. Perkussiv wird auf alles Mögliche eingeschlagen, und der Gitarrist schüttelt einen Metalleimer mit irgendwelchen Teilen.

Warum einer der Drummer gegen Ende eine weiße Kochmütze und einen weißen Umhang trägt, ist nicht das Einzige, was sich dem Verständnis des Großteils des Publikums entzieht. Dennoch gehen die meisten nach der Abschlussnummer "Redukt" fasziniert und irgendwie auch gut unterhalten nach Hause.

Martin Buchenberger