München
Zeugnisse aus Krieg und Frieden

Staatsbibliothek München zeigt Kostbarkeiten aus vier Jahrhunderten - Karte vom Donaumoos zu sehen

21.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:06 Uhr

München (DK) Das südlich von Ingolstadt gelegene Donaumoos war mit seinen 180 Quadratkilometern ursprünglich eine natürliche Grenze zwischen dem Herzogtum Pfalz-Neuburg im Norden und Kurpfalz-Bayern.

Das Moor wurde in den Jahren 1790 bis 1793 trockengelegt und "Cultur-fähig" gemacht, um Menschen anzusiedeln und Landwirtschaft zu betreiben - bis heute führt der Hauptkanal zur Entwässerung an Karlskron vorbei. Eine großformatige Karte dieser Region aus dem Besitz der Staatlichen Bibliothek Neuburg zeigt jetzt die Staatsbibliothek München im dritten Teil ihrer Jahresausstellung "Gott, die Welt und Bayern".

Es ist beileibe nicht nur Gedrucktes, das von den zehn regionalen Staatlichen Bibliotheken in Bayern nach München geschickt wurde. Im Gegenteil, gerade die Sammlerstücke aus dem 17. bis 20. Jahrhundert schlagen einen weiten Bogen mit dem Untertitel "Krieg und Frieden, Freud und Leid". So kommt aus Aschaffenburg eine chinesische Götterfigur aus Speckstein, welche die Begeisterung für den Fernen Osten im 18. Jahrhundert vor Augen führt. Gleiches gilt für einen Fächer aus der Bamberger Staatsbibliothek, dessen Fächerblatt auf Ziegenleder eine ostasiatische Landschaft und Genre-Szenen zeigt und dessen feines Gestänge aus Elfenbein geschnitzt wurde. Das Objekt kommt keinesfalls aus China, sondern wurde vom Bamberger Geheimarchivar und Hofrat Johann Caspar Eder gefertigt, der für seine Schreibkunst geschätzt wurde.

Eine besondere "Geheimsammlung" birgt ein dicker Foliant aus Dillingen, der wie ein Buch aussieht, aber im Inneren 19 kleine Schubladen aus Holz birgt, in denen etwa tausend Gipsabdrücke von antiken Gemmen und Kameen lagern. Diese Abgüsse von antiken geschnittenen Steinen waren im 18. Jahrhundert ein beleibtes Medium, um Geschichte und Kunst der Antike an Gymnasien und Akademien zu unterrichten.

Exponate aus dem 19. Jahrhundert vermitteln in der Ausstellung einen hintergründigen Humor. So zeichnete E. T. A. Hoffmann auf Papier eine skurrile Bürgerwehr, in der jeder Mann sich entsprechend seiner Körper-Größe und -Fülle Kleidungsstücke von ausgedienten Uniformen angezogen hat. Dies war erlaubt, um das 1807 geschaffene "Bürgermilitär" finanziell nicht allzu sehr zu belasten, sorgte aber bei einem Preußen wie E. T. A. Hoffmann für einen belustigten Eindruck. Das Blatt stammt aus Bamberg, ebenso wie Farblithographien zu den Fastnachtsumzügen von 1837, wo ein von Pferden gezogener Wagen einen Christbaum mit sich führt, der mit Würsten dekoriert ist.

Der Ernst des 20. Jahrhunderts kommt vor allem in Exponaten aus Regensburg zum Ausdruck. Im "Kriegskochbüchlein" von 1915 werden "eingemachtes Kuheuter" und "Maggi-Reissuppe" aufgeführt, der "Hindenburg-Kuchen" wird mit "vegetabilischem Ei" gerührt. Seltenheitswert haben die Fotoalben und Filmaufnahmen von Theo Croneiß, der 1942 als Vorstands-Vorsitzender der Messerschmitt AG in München starb. Filme und Fotos dokumentieren etwa den Besuch Hermann Görings bei den Flugzeugwerken Augsburg.

Dass diese Zeitzeugnisse von den Erben nicht vernichtet wurden, sondern als Nachlass in die Staatliche Bibliothek Regensburg gelangten, ist sicher eine Ausnahme, denn allzu oft wurden Dokumente der NS-Zeit zerstört in der trügerischen Hoffnung, Geschehenes ausradieren zu können. Zu solch wertvollen Exponaten gehören auch die Zeichnungen des polnischen Offiziers Franciszek Znamirowski, der als Zwangsarbeiter im Konzentrationslager Gusen für die Regensburger Messerschmittwerke eingesetzt war und der dort karikaturistische Aquarelle fertigte.

Mit solchen Leihgaben aus Regensburg zeigt die Jahresausstellung, dass sich der Wert von Objekten nicht allein an Kunstfertigkeit und edlen Materialien bemisst, sondern auch erwächst aus den politischen Zusammenhängen, in denen gezeichnet, gefilmt und fotografiert wird, und dank glücklicher Umstände, durch die solche Objekte bewahrt und ausgestellt werden.

Bayerischen Staatsbibliothek: bis 7. Juli, Mo bis Fr von 11 bis 18 Uhr, So 13 bis 17 Uhr, feiertags geschlossen.

Annette Krauß