Ingolstadt
Wendige Virtuosität

Kolja Blacher beeindruckt beim "Play-Conduct"-Konzert mit dem GKO

17.10.2021 | Stand 23.09.2023, 21:21 Uhr
Konzertierten traumhaft gut miteinander: Der Violonist Kolja Bacher und das Georgische Kammerorchester Ingolstadt beim zweiten Abo-Konzert des GKO in Ingolstadt. −Foto: Schaffer

Ingolstadt - Nicht nur als Violinsolist, sondern auch als Dirigent überzeugte Kolja Blacher bei seinem Gastauftritt zum zweiten Abo-Konzert des Georgischen Kammerorchesters. In dieser durchaus herausfordernden Doppelrolle, die er souverän, spannungsgeladen und konzentriert meisterte, brachte er ein ebenso anspruchsvolles wie vielseitiges Programm auf die Bühne: Zu Beginn die zeitgenössischen "Prayers" von Noam Sheriff - einst Schüler von Blachers Vater, dem Komponisten Boris Blacher. Ein Werk für Streichorchester auf der Grundlage jüdischer Gebetsmelodien,

das in seinen Sog aus ineinander verschmelzenden Stimmen, gleitenden Glissandi, tonalen Reibungsflächen, gezupften Pizzicati, emotionalen Solopassagen, perkussiv geklopften Schlagmustern oder virtuellen Unisono-Wirkungen unmittelbar hineinzieht. Kolja Blacher dirigiert fließend, aber auch scharf konturierend, lässt dabei die Musiker das fremdartig-mystisch anmutende, demutsvolle Klanggeflecht ebenso eindringlich wie sensibel ausgestalten.
Im Zentrum des Abends steht jedoch das frühe, weniger bekannte Violinkonzert in d-Moll von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Nun agiert Blacher von zwei entgegengesetzten Notenpulten aus, so dass er sich abwechselnd zum Orchester und zum Publikum wenden kann. Die künstlerische Interaktion zwischen ihm und dem GKO gelingt in organischer Geschmeidigkeit, lebt vom Wechselspiel der Impulse, von der dezent aufgreifenden bis farbenreich kommentierenden Stimmungsillustration der Instrumentalisten.

Schon im toccatenhaften Allegro-Kopfsatz samt seiner motorischen Rastlosigkeit wird hörbar, wie eindrucksvoll der hervorragende Geiger seinen weichen, biegsam-schlanken Ansatz, den elegisch-samtigen Schmelz, den er seiner Violine (einer Stradivari aus dem Jahr 1730) entlockt, mit schwungvoll pointierter, akzentuiert-fokussierter Spielweise vereint. Dem lyrischen Andante verleiht er einen reizvoll graziösen, gesanglich-schwelgenden Tonfall, bevor er zum feurigen Gavotte-Rhythmus des Schlusssatzes die gesamte Palette seiner technischen Brillanz, seiner wendigen Virtuosität und seiner emphatischen Ausdruckskraft noch einmal voll und ganz auskostet.
Nach der Pause dann Mozarts berühmte, große g-Moll-Sinfonie: Stilistisch fühlt sich das Georgische Kammerorchester hier hörbar am wohlsten. Gleich die Anfangstakte heben in zügig pulsierendem Tempo an, die erregte Unruhe, die düstere Verzweiflung, die aufgewühlte Schroffheit, die kühne Dramatik der Harmonien kommen frei zum Schwingen. Zugleich musiziert das GKO die subtilen Abwandlungen der Motive mit melancholischer Noblesse, macht darin eine innere Zerrissenheit, eine bittersüß lächelnde Sehnsucht spürbar. Ehe alles im impulsiven, dämonischen Zauber eines furios entfachten Tanzes endet. Lang anhaltender Applaus.

DK

Heike Haberl