Wandel im Wald

SüdpART: Schau im Sendlinger Wald in München zeigt Kunstwerke von 14 Künstlern

21.07.2021 | Stand 23.09.2023, 19:53 Uhr
Joachim Goetz
Ekkeland Götze: Die Erde kippt. −Foto: Galitz

München - Es wird schwerer.

Im Sendlinger Wald die Kunstwerke der 4. Naturkunst-Biennale SüdpART von den Corona-Einbauten zu unterscheiden. Denn in Ermangelung geeigneter Partylocations haben auch Jugendliche - wie schon die Jugend in der frühen Nachkriegszeit - den Wald wieder für sich als (mystisch aufgeladenen) Aufenthaltsort für diverse Aktivitäten entdeckt. Im Südpark entstanden Unterschlupfe, hüttenartige Gebilde, um Räume abzugrenzen, die einzelne Gruppen für ihre neu entdeckten Outdooraktivitäten nutzten. Und dabei auch ganz schön Abfälle produzierten, die teils den Wald vermüllten.

Gut, der Kunstliebhaber wird die 16 Arbeiten von 14 Künstlern schon finden. Ihm wird ja auch ein informativer Folder zur Verfügung gestellt, auf dem die Orte und die Intentionen der Teilnehmer samt Werkstitel verzeichnet sind.

Aber dennoch fällt auf: In diesem Jahr sind die Werke eher flüchtiger, zurückhaltender. In einigen Fällen sogar nicht am Boden verhaftet, sondern weit nach oben in die Bäume gerückt. Um die Arbeit "Vermählte Bäume - Kekkon Ki" von Andreas Bejenke zu erreichen, braucht man beispielsweise schon eine lange Leiter. In mehreren Metern Höhe befindet sich eine Querverbindung zwischen zwei Bäumen. Zahlreiche Äste wurden zusammengeflochten, die als eine Art Strickleiter ein Stück weit herunterhängen. Erstaunlich, wie man so was hinkriegt.

Denn für die Anfertigung der Kunst sind ausschließlich Materialien erlaubt, die auch dort vorhanden sind: Totholz, Tannenzapfen, abgefallene lose Äste, Brombeerruten, Gräser, Blätter, Steine, Moos oder Reste von Rinden. Selbst die wenigen Farben, die verwendet wurden, sind aus dem Wald. Und die Verbindungselemente sind aus natürlichen dort vorkommenden Werkstoffen gemacht. Schließlich soll diese Kunst nicht ewig bleiben. Sie wird prinzipiell auch nicht abgebaut. Sondern verschwindet wieder durch natürlichen Prozess. Das heißt: Sie verrottet, der Wind entfacht zerstörerische Kräfte, oder diverse Lebewesen sorgen für Entsorgung. Die Elemente kehren in den Kreislauf der Natur zurück. Das ist beabsichtigt. Denn die Betrachter - und nicht nur diese - sollen sich darüber klar werden, dass auch sie Teil dieser Natur sind.

Ein wenig Bast, der schnell verrottet, war als einziges Fremdmaterial erlaubt. Bejenke verwendete dennoch nahe gefundene lianenartige Gewächse zum Zusammenhalten. Das ist auch stabiler. Der nicht ganz unbekannte Ekkeland Götze, der 2018 den Seerosenpreis der Stadt München erhielt, stach exakt einen Quadratmeter des Waldbodens aus der Fläche. Dieses einer dicken Platte ähnliche Stück wurde gekippt und schräg wieder in den entstandenen Hohlraum gestellt - so sieht es jedenfalls aus. Titel: Die Erde kippt (siehe Foto). Das Wort "Erde" ist dabei freilich doppeldeutig. Götze, der 1988 aus Dresden nach München übersiedelte, sagt über seine Arbeit, dass sie den Zustand der Erdkugel im Anthropozän symbolisiere und dazu ermutigen soll, sich der Zerstörung des Globus entgegen zu stellen.

Liz Walinski erkannte in drei sonderbar schräg stehenden dünnen Bäumen "3 Grazien, torkelnd im Zapfenfluss". Sie akzentuierte die Stämme mit Baumscheiben aus unterschiedlichen Baumzapfen und Rinden, die sie in konzentrischen Kreisen um die Stämme legte. Bei diesem Kunstwerk muss allerdings ständig nachgebessert werden. Sonst ist es ganz schnell weg(gefressen). Denn an den so praktisch wie in einem Futterkorb platzierten Zapfen erfreuen sich auch Eichhörnchen, die einen nach dem anderen zernagen oder wegtragen. Auch sie gehören zur Natur, der nach Worten der Initiatorin des Projekts Lore Galitz "ein Raum des Wandels" ist.

Sie startete das Projekt nach dem verheerenden Sturm Niklas 2015, der im Sendlinger Wald - auch Südpark genannt - große Schäden anrichtete. Von Galitz sind ebenfalls Arbeiten zu sehen. Dabei markiert sie gerne schon existierende Zustände an Stellen, die vom Sturm einst schwer getroffen wurden. "Das ganze Leben" besteht etwa aus einem jungen Baumtrieb, einem ausgewachsenen Baum - und einem Rest-Stumpf. Das ganze wurde mit einem Kreis aus kurzen Aststücken eingerahmt - fast wie ein Gemälde. Galitz sagt, sie möchte dem Betrachter Assoziationen anbieten.

Ebenfalls bemerkenswert: Die "inside-outside-nature" betitelte hoch hängende geflochtene Kugel der Floristin, Landschaftsarchitektin und Leiterin des ÖBZ, Frauke Feuss, die damit an die zwangsläufige Einbindung des Menschen in den Kreislauf der Natur erinnert. Und Carl Nissen will mit seiner üppigen "Kunst-Knospe" auf einem morschen Stumpf den Parkbesuchern ein Zeichen der Hoffnung präsentieren. Was ja auch nicht schlecht ist.

DK


Bis 17. Oktober. Geführte Rundgänge: 30. Juli, 18 Uhr, 11. September, 18 Uhr, 9. Oktober, 12 Uhr, 17. Oktober, 14 Uhr. Nach Anmeldung unter mail@suedpart. de.

Joachim Goetz