Konzert
Vorlaute Tuba, feingeistige Violine

Dem Duo Andreas Hofmeir und Benjamin Schmid gelingt ein hinreißendes Konzert beim Konzertverein

19.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:44 Uhr
Seltsame Klänge: Benjamin Schmid und Andreas Hofmeir im Ingolstädter Festsaal. −Foto: Schaffer

Ingolstadt - Die Besetzung des Konzerts ist bereits ein Witz - die musikalische Ehe zwischen vorlauter Tuba und feingeistiger Violine kann eigentlich nicht funktionieren. Und dann erscheinen noch solche Gestalten auf der Bühne: der eine, Andreas Hofmeir, stämmig, in Jeans und barfuß, der andere, Benjamin Schmid, wie ein Landstreicher ohne Krawatte in einem drolligen Anzug, der bestimmt noch nie von einem Bügeleisen berührt wurde. Was ist von einem solchen Duo zu erwarten?

Sehr viel offenbar. Denn der Ingolstädter Festsaal war am Dienstagabend rekordverdächtig gut gefüllt mit erwartungsfroh lächelndem Publikum. Das Konzert der beiden verwegenen Musikusse weckt anscheinend die Fantasie. Auch wenn die Musikfreunde eigentlich kaum wissen konnten, was auf sie zukommt.

Denn Literatur für die seltsame Klangkombination existiert so gut wie gar nicht - außer ein paar Stücken, die im Publikum wahrscheinlich kaum jemand je gehört hat. Zum Beispiel die "Miniature" von Georg Breinschmid, die wie ein witziges Jazzstück aus den 20er-Jahren daherkommt und damit beginnt, dass Andreas Hofmeir den Rhythmus auf dem Mundstück seiner Tuba schlägt.

Oder das "Duette" op. 5/5 von Hofmeirs Haus-und-Hof-Komponisten Jörg Duda aus Geisenfeld. Der gute Kontakt zwischen Virtuosen und Komponisten wird vielleicht schon dadurch deutlich, dass Duda das sonst eher stiefmütterlich behandelte Blasinstrument in den Mittelpunkt stellt. Da schwelgt auf einmal die Tuba so leichtfüßig, als wollte sie Klarinetten und Flöten Konkurrenz machen. Und Benjamin Schmids Geige? Ist mehr oder weniger für die Begleitakkorde zuständig. Duda ist kein echter Neutöner in der Tradition der kühnen Neuen Wiener Schule. Er liebt die weichen Harmonien, die elegant geflochtenen Melodieverästelungen. Da aber komponiert er raffiniert, hochromantisch und einfach atemberaubend schön. Sicher ein Höhepunkt des Abends.

Der vielleicht nur noch übertroffen wurde durch Florian Willeitners "1+1 = 3: The Abstraction of Beauty". Der Titel wirkt irgendwie ziemlich ernst - aber letztlich ist auch dieses Werk des Wieners (Jahrgang 1991) ein großer, intelligenter Spaß. Denn Willeitner packt sehr gekonnt eigentlich völlig Unvereinbares in die wenigen Takte seines Werks hinein: trunken machend Melodik, Experimentelles - der Tubist muss gleichzeitig singen und spielen - Hip-Hop, Jazz, herrische Marschmusik und vieles mehr. Vor allem aber hat er offenbar sein Stück dem seltsamen Duo auf den Leib geschrieben. So können die beiden Musiker aus dem Vollen schöpfen, Hofmeirs Tuba bellt, grölt brutal und singt wie ein betrunkener Elefant, Schmid kratzt und flicht samtige Girlanden um das Blechblasgewitter. Ein wunderbares Klangabenteuer. Weiter geht es mit einem Ausflug in barocke Gefilde zu Bach und Händel. Benjamin zeigt etwa wie er sich die E-Dur-Partita für Solovioline des berühmten Thomaskontors als lässiges Jazzstück vorstellt. Herausragend ist noch die Landpartie von Christof Dienz. Sein "Concertino vom Lande" ist Programmusik zum Lachen, stellt den trunkenen Landwirten auf dem Traktor ebenso dar, wie abendliche Langweile und ein Potpourri aus Fernsehmelodien mit dem Beginn der Tagesschau als Ausklang. Virtuosenfutter für Benjamin Schmid ist besonders eine Bearbeitung von Antonio Bazzinis "Le Ronde des Lutins".

Das alles macht Spaß, besonders auch wenn Andreas Hofmeir die Tuba einfach mal liegen lässt und erzählt. Etwa vom Ingolstädter Reuchlin-Gymnasium, seinem Musiklehrer Reinald Atzerodt, der noch immer aktiv beim Konzertverein mitwirkt. Und seinen Bemühungen, beim Schulkonzert auch mal die große Bühne des Festsaals als Solist betreten zu dürfen, um die heiß ersehnte Belohnung sich erspielen zu können: zwei Freistunden am folgenden Schultag.

Ein hinreißender Abend irgendwo im Niemandsland zwischen Klassik und Kabarett. Für eine Besetzung, die ganz sicher ein Witz ist - allerdings ein sehr guter, wenn Hofmeir und Schmid dabei sind.

DK


Die Stück des Konzerts sind auf der CD "Stradihumpa" eingespielt.

Jesko Schulze-Reimpell