Ingolstadt
Von höchster Feingliedrigkeit zu eruptiven Urgewalten

Das Busch Klaviertrio eröffnet phänomenal die neue Konzertvereins-Saison mit Mozart, Mendelssohn und Schubert

26.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:44 Uhr
Absolute Weltklasse: Das Busch Trio in Ingolstadt. −Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Was für eine wunderbare Fügung!

Mit dem Auftritt des Busch Klaviertrios aus England beim Konzertverein kam zum Spielzeit-Auftakt nicht nur ein europaweit ausgezeichnetes Kammerensemble nach Ingolstadt, sondern es kehrte auch die wertvolle Geige des berühmten namensgebenden Violinisten Adolf Busch, mit der er im März 1933 hier sein letztes Konzert vor seiner Emigration gegeben hatte, noch einmal zurück. Denn genau dieses Instrument, eine Guadagnini, spielt heute der niederländische Geiger Mathieu van Bellen. Und das tut er im kongenialen Verbund mit seinen Partnern, den Brüdern Ori und Omri Epstein (Cello und Klavier) in geradezu exorbitanter Manier.

Zunächst in Mozarts letztem G-Dur-Trio KV 564, einer zauberhaften Miniatur-Kostbarkeit, welche vor allem durch ihre heitere Schlichtheit, durch fröhliche Unbeschwertheit besticht. Die drei Musiker gehen aber voll sprühender Energie noch weit über solche Qualitäten hinaus, kleiden sie in vornehme Brillanz, in galante Zartheit, sprudelnde Lebendigkeit und temperamentvolle Finesse. Besonders im tänzerischen Siciliano-Rhythmus des abschließenden Allegretto fördern sie eine unbändige, förmlich lächelnde Gelöstheit zu Tage.

Einen gänzlich anderen Charakter geben sie hingegen Mendelssohns erstem, zutiefst aufwühlenden Klaviertrio in d-Moll, ein wahrer Inbegriff dieser Gattung und von Schumann nach seinem Erscheinen euphorisch als "Meistertrio der Gegenwart" bejubelt. Jugendlicher, nahezu stürmischer Schwung, zu dem sich nahtlos komplementär eine subtile Sanglichkeit und scheinbar mühelose Leichtigkeit gesellen. Mit graziler Geschmeidigkeit lässt Omri Epstein im Kopfsatz die rauschenden Arpeggien am Flügel sprudeln, mit bravouröser Noblesse führen Mathieu van Bellen und Ori Epstein die herrliche Kantilene in hingebungsvoller Leidenschaft und dennoch feinst nuancierender Abstimmung durch Geige und Cello. Das Andante wird beim Busch Trio zu einem ganz besonderen Idyll, einem wehmütig zart konturierten "Lied ohne Worte", das im Mittelteil elegische Sphären erreicht, um schließlich fast magisch in eine Wellenströmung voll innerer Bewegung zu tauchen. Unmittelbar fühlt man sich hier an Mendelssohns venezianische Gondellieder erinnert. Als wahrhaften Elfenreigen, einen quirligen, flirrenden "Sommernachtstraum" gestalten die drei Künstler das Scherzo, während dessen sie die imaginären Waldgeister in schier halsbrecherischem Tempo vor dem geistigen Auge vorüberhuschen lassen. Mit bedingungsloser Hingabe treten sie bei aller Unbefangenheit des Finales in eine überwältigende wechselseitige Interaktion, wie sie an homogener Virtuosität kaum zu überbieten sein dürfte.

Als Klangkrönung nach der Pause schließlich Schubert mit seinem opulenten, jegliche Proportionen sprengenden Es-Dur-Trio, dem quasi Nonplusultra romantischer Kammermusik. Eine "zürnende Himmelserscheinung", wie es Schumann treffend beschrieb, aus der er "tiefen Zorn und wiederum überschwängliche Sehnsucht" heraushörte. In der Tat: Der Affektradius der Emotionen ist hier im ständigen Schwanken zwischen Dur und Moll, zwischen glückselig schwelgender Melodik und harmonischen Abgründen, zwischen melancholischer Trauer und transzendentaler Erlösung bis zum Zerreißen angespannt.

Schuberts Spätwerk entstand fast zeitgleich mit dem zutiefst düsteren Liederzyklus "Die Winterreise", deren Nähe vor allem im zweiten Satz unverkennbar ist. Sehnsuchtsvoll gehauchte Seufzer der Streicher korrespondieren mit eisigen Staccatotupfern des Klaviers - "gefrorene Tränen", die von aschfahler, schattenhafter, kaum hörbarer Resignation zu schier vor Herzensangst bebenden Verzweiflungsakkorden anwachsen. Solche Intimität aus höchster Feingliedrigkeit intensiviert das Busch Trio nicht nur im Schlusssatz zu verdichtet dramatischer Tonprägung, entfesselt eruptive Urgewalten, evoziert einzigartige, farbig fließende Schattierungswechsel und schillernde Stimmungsumschwünge. Eine durch und durch faszinierende Interpretation voll energetischer Ausdrucksstärke und ausgereifter Geschlossenheit, die das Publikum mit Bravorufen feiert. Absolute Weltklasse!

Heike Haberl