Ingolstadt
Von Normalos verfolgt

"Auch der Broccoli hat Gefühle": Gabriele Busse präsentiert "veganes Kabarett" im Ingolstädter Kap 94

03.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:16 Uhr
Karin Derstroff
Kämpferin für eine vegane Lebensweise: Gabriele Busse präsentiert ihr Kabarettprogramm im Kap 94. −Foto: Weinretter

Ingolstadt (DK) Gibt's das wirklich, heutzutage und hierzulande, im Jahr das Herrn 2019, mitten in Westeuropa?

Gibt es wirklich diese Gruppe misshandelter Menschen, die immer und überall gemobbt, gehänselt, ausgeschlossen, diskriminiert, blöd angelabert werden? Und das lediglich, weil sie auf tierische Produkte verzichten? Ja, findet Gabriele Busse, eine zierliche blonde Frau mit bayerischer Herkunft, 30-jähriger schwäbischer Sozialisierung und einem seit einem Kurzaufenthalt in der Hauptstadt berlinerischem Dialekt. Viel kann die 41-Jährige davon erzählen, wie sie wieder mal von ihrer Mutter in die Fleischschranken verwiesen, von einer WG-Mitbewohnerin in eine Diskussion über Gemüse verstrickt oder im Restaurant, der Klassiker, mit Pommes und Salat abgefertigt wurde. Sie tut das ein wenig nervös und hippelig - und gänzlich ohne Selbstironie.

Das ist schlecht auch für "veganes Kabarett" (als das die Hörfunk-Journalistin ihr erstes Programm "Auch der Broccoli hat Gefühle" bezeichnet), lebt doch Kabarett mehr von Brechung als von Larmoyanz. Und es ist schade für die Tierschützerin, die ihrer Sache keinen Dienst erweist, indem sie sich als Veganerin zum Feindbild der "Normalos" hochstilisiert und dabei wie nebenbei die Welt in gute und nicht so gute Menschen teilt.

Man wünschte Gabriele Busse also ein klein wenig mehr professionelle Distanz zu ihrem Thema - eben genau, um dessen Dringlichkeit besser an die Frau, den Mann, das Diverse oder den Fleischfresser zu bringen. Noch steckt die Newcomerin zu sehr in Befindlichkeiten und guter Absicht fest; der Sprung in Abstraktion und ein ausgearbeitetes Konzept (denn nach der Pause geht es kreuz und quer bis hin zu den Eisbären) steht noch bevor. Wo beides mitunter aufblitzt, wird Busse überraschend gut. Ihr ausformulierter Text über eine Maus, die das Leben ihrer Familie durcheinander und die Frage nach der Unterscheidung in Streichel-, Ess- und Labortiere mit sich bringt, ist so präzise wie komisch und erzählt viel über den fragwürdigen Umgang mit dem Tier. Eine kleine Perle des Programms; auch die selbstgedichteten Lieder, die Busse mit schöner Singstimme zum Besten gibt, könnten künftig dazu gehören. Im Kap 94, wo sich sechs Vegetarier, acht Veganer und zehn Fleischfresser per Handzeichen als solche outeten, gab es für alles freundlichen Applaus.

Karin Derstroff