Vohburg
Vergrabene Geschichte

17.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:34 Uhr

Alles hübsch sortiert – doch bleischwer perspektivlos. Harper Regan (Victoria Voss, Mitte) bricht aus dem Leben mit ihrer Familie aus. - Foto: Olma

Vohburg (peh) Der vergangene Samstag war ein schöner Tag für Moritz Rinke. Nicht nur wegen seiner Lesung aus seinem ersten Roman im Rahmen des regionalen Kulturwettbewerbs "Fliesstext10" in Vohburg, sondern auch wegen des Abschneidens von Werder Bremen.

Der 1967 in der Künstlerkolonie Worpswede geborene Dramatiker, Schriftsteller und Torjäger der Autorennationalmannschaft ist nämlich ein großer Fan dieser Mannschaft. Und Bremen hat am Samstag gegen Freiburg gewonnen.

Derweil mühte sich ein DJ im beheizten Zelt vergeblich, die wenigen Gäste in Stimmung zu bringen. Leider hatte ihm offenbar niemand gesagt, dass ein kulturinteressiertes Publikum, das eine Lesung mit einem der meistgespielten deutschen Dramatiker erleben will, eher weniger auf Schlagermucke steht.
 

Der Pfaffenhofener Kulturreferent Steffen Kopetzky hatte die Moderation übernommen und plauderte eingangs recht angeregt mit Moritz Rinke.

Wie Rinke sagte, trage sein Roman, in dem er sich ironisch mit der NS-Vergangenheit von Worpswede und deren Aufarbeitung auseinandersetzt, durchaus autobiografische Züge. "Es war nicht einfach, in Worpswede groß zu werden", betonte der jetzt in Berlin lebende Autor. Es habe bei ihm zu Hause niemals pünktlich das Mittagessen gegeben, sondern irgendwann am Nachmittag. "Und dann ist auch noch darüber diskutiert worden, wer es macht", erinnerte er sich. Rinke ist in einer echten Kommune groß geworden ("Das werdet Ihr in Vohburg nie erleben") und hat als Kind im ehemaligen Garten von Paula Modersohn-Becker gespielt.

"Das Moor hat mich angestiftet, diesen Roman zu schreiben", sagte er: "Der Roman zeigt, wie man Geschichte vergräbt und wie sie wieder aufsteigt." Denn das Buch handelt von dem Berliner Galeristen Paul Wendland, der nach Worpswede zurück muss, weil das Haus seines Opas im Moor zu versinken droht. Dort angelangt, kommt die ganze Familiengeschichte an die Oberfläche und mir ihr für immer vergraben und vergessen geglaubte Geheimnisse der Künstlerkolonie. Mit der Schilderung der Galerie in Berlin und Paul Wendlands zwanghaftem Verhalten, punkt 13 Uhr Mittag zu machen, begann Rinke dann auch seine unterhaltsame Lesung – zweifellos eine Steilvorlage für das Finale von "Fliesstext10".