Ingolstadt
Vier Bücher, vier Schauspieler

Literalounge im Kleinen Haus: Donald Berkenhoff stellt Neuheiten vor

29.10.2021 | Stand 09.11.2021, 3:33 Uhr
Hat während des Lockdwons viel gelesen: Donald Berkenhoff. −Foto: Olah, kein&aber, S. Fischer, KiWi

Ingolstadt - Die Literalounge geht wieder los: Nach zwei Jahren öffnet der kleine literarische Salon wieder seine Türen - am 3. November um 20 Uhr im Kleinen Haus. Moderator Donald Berkenhoff hat vier Romane im Gepäck. Die Schauspieler Peter Reisser, Ulrich Kielhorn, Sascha Römisch und Ralf Lichtenberg lesen Auszüge aus Ayelet Gundar-Goshens "Wo der Wolf lauert", Arnon Grünbergs "Besetzte Gebiete", Ferdinand Schmalz' "Mein Lieblingstier heißt Winter" und Peter Stamms "Das Archiv der Gefühle". Im Interview begründet Donald Berkenhoff seine Auswahl.

Herr Berkenhoff, während des Lockdowns stand der Kulturbetrieb still. Viel Zeit zum Lesen also. Wie viele Bücher haben Sie gelesen? Und waren Entdeckungen darunter?
Donald Berkenhoff: Zum Glück führe ich Listen, damit ich nicht etwas doppelt lese. Was schon passiert ist. 86! Da waren einige Entdeckungen dabei. Viet Thanh Nguyen. Nach "Der Sympathisant" hat er nun den zweiten Teil der riesigen Geschichte vorgelegt. Ist im ersten Teil noch die Erzählung vom Ende des Vietnamkrieges im Zentrum, schreibt er in "Die Idealisten" von den kriminellen Karrieren der Geflohenen in Paris. Ich hätte gerne beide Bücher hintereinander gelesen, ohne Pause. Aber ich hatte keine Ahnung, dass ein zweiter Teil folgen würde. Ayelet Gundar-Goshen werde ich in der Literalounge vorstellen. Drei Romane habe ich von ihr gelesen. "Wo der Wolf lauert" ist der beste. Und eine Neuentdeckung (für mich) ist Yishai Sarid, "Monster", ein erschütternder Roman über einen jungen Juden, der in den KZ Europas als Guide arbeitet.

Peter Stamms "Archiv der Gefühle" erzählt sogar von Corona und dem Lockdown. Haben Sie es deshalb auf die Liste gesetzt?
Berkenhoff: "Archiv der Gefühle" habe ich wegen des Autors gewählt. Es ist nicht das erste Buch von Peter Stamm in der Literalounge. Der Held ist auch ohne Virus im individuellen Lockdown. Er lebt in der Vergangenheit. Und wird plötzlich mit einer Figur seiner Fantasie konfrontiert. Die ganz real in sein Leben tritt. Und ihn fordert. Dabei ist es wie immer bei Stamm total spannend, wie sich die Fantasie und das Reale mischen, so dass ich als Leser oft über diese Grenzen stolpere.

In Ayelet Gundar-Goshens Thriller "Wo der Wolf lauert"  zieht eine Familie von Israel in die USA. Warum stellen Sie das Buch vor? Und: Kommt tatsächlich ein Wolf vor?
Berkenhoff: Ayelet Gundar-Goshen lässt viele Wölfe heulen. Junge Menschen, die sich einer Art Bürgerwehr anschließen. Sie erzählt die Geschichte eines Amoklaufes in einer Synagoge. Und über die Auswirkungen auf die Opfer und die jüdische Gemeinde. Dann wird ein junger Schwarzer ermordet. Und ein extrem spannender Krimi setzt ein. Mit einer verblüffenden Pointe. In einer Zeit des zunehmenden Antisemitismus, der Anschläge auf Synagogen, ein schmerzhaft aktuelles Buch.

In "Besetzte Gebiete" erzählt Arnon Grünberg die Geschichte des Psychiaters Otto Kadoke aus dem Roman "Muttermale" weiter. Funktioniert das Buch auch, wenn man die Vorgeschichte nicht kennt? 
Berkenhoff: Ha. Den Vorläufer kenne ich gar nicht. Das bedeutet wohl, dass "Besetzte Gebiete" prima funktioniert. Sehr gut sogar. Unglaublich böse und sehr witzig.

Für seinen Text "Mein Lieblingstier heißt Winter" hat Ferdinand Schmalz 2017 den Bachmann-Preis gewonnen. Jetzt hat er den fertigen Roman veröffentlicht. Warum soll man ihn lesen? 
Berkenhoff: Ich hatte die Bachmann-Lesung von Schmalz gesehen, wo er ein Kapitel des Buches vorgestellt hat. Er hat eine eigene Melodie, verschlingt und verknotet die Sätze zu einem, ja, sagen wir, Sound. Er erzählt über eine verschwundene Leiche aus einer Tiefkühltruhe, über einen Sammler von Nazi-Weihnachtsbaumschmuck, über einen Menschen, welcher sich selbst einmauert. Schmalz zerrt uns in eine Geisterbahn der schrägen Charaktere. Und endet im Schlund eines Sauriers. Das ist absurd, sehr komisch. Ein großes Vergnügen.

DK

Die Fragen stellte Anja Witzke.

Literalounge am 3. November um 20 Uhr im Kleinen Haus. Karten unter Telefon (0841) 30547200.