"Verbraucher sollten hinterfragen, wem sie ihre Daten anvertrauen"

12.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:28 Uhr

Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar über die Digitalisierung, Gesetze und die Verantwortung der Nutzer

Herr Professor Caspar, hatte Google 2009 mit den bundesweiten Protesten gerechnet?
Johannes Caspar: Nach unserem Eindruck war das Unternehmen von dem Ausmaß der Kritik und den notwendigen Folgen vollkommen überrascht. Nicht vorgesehen war zunächst die Widerspruchsmöglichkeit einzelner Hausbesitzer oder -bewohner gegen die Veröffentlichung ihrer Fassaden. Diese Möglichkeit wurde für Deutschland von Google aufgrund erheblicher rechtlicher Bedenken eingeführt und von vielen Betroffenen in Anspruch genommen. Die damaligen rechtlichen Bedenken gelten fort.

Wie sieht es heutzutage aus? Sind die Menschen durch Datenschutzskandale, durch mehr Informationen und die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung sensibilisierter als früher?
Caspar: Die Sensibilisierung für den Datenschutz hat sich gerade mit Blick auf einen massiven Anstieg an Bürgerbeschwerden gegen Datenschutzverletzungen in der Wirtschaft im Zuge der Einführung der DSGVO erhöht. Gleichzeitig ist aber auch in vielen Bereichen ein Gewöhnungseffekt eingetreten. So gibt es durchaus Fragestellungen, die noch vor zehn Jahren einen Proteststurm verursacht haben, die heute kaum mehr Kritik auslösen. Die Panoramadienste gehören in diese Kategorie. Klar ist, dass hier gerade auch die Auflagen gegenüber Google Street View durch die Datenschutzaufsicht damals zur Beruhigung der Lage beigetragen haben.

Nicht nur Unternehmen, Banken oder Krankenkassen treiben die Digitalisierung voran, sondern auch Städte und Kommunen. Ist man als Bürger der Digitalisierung "ausgeliefert"?
Caspar: Digitalisierung ist ein wichtiges und wertvolles Instrument für Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften - solange bei der Entwicklung immer der Datenschutz mitgedacht und dieser auch transparent gemacht wird. Das gilt in besonderem Maße natürlich bei der öffentlichen Hand, auf deren Dienste der Bürger in der Regel ohne Alternative angewiesen ist. Wenn etwa Behörden Online-Zugänge für bestimmte Anträge bereithalten, ist dies meist ein bequemer Service. Wer dies nicht wünscht, sollte jedoch weiterhin auf herkömmlichem Wege seine Anträge stellen können.

Was kann der Einzelne tun?

Caspar: Verbraucher sollten hinterfragen, wem sie ihre Daten anvertrauen und ob diese Stelle vertrauenswürdig erscheint. Wenn Grund zu Zweifeln besteht, weil beispielsweise umfassende Profilbildung betrieben wird oder Datenverarbeitungen unreguliert im Ausland stattfinden, besteht hier eher die Möglichkeit, zu einem Konkurrenten zu wechseln. Allerdings zeigt sich in bestimmten Bereichen zunehmend, dass monopolartige Anbieter entstehen. Dies stellt neben den wettbewerbsrechtlichen Problemen auch erhebliche Herausforderungen für den Datenschutz dar, da solche Anbieter ihren Nutzern erheblich größere Zugeständnisse abringen können. Die europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden sind hier in besonderem Maße gefragt.

Die Fragen stellte Katrin Fehr.

ZUR PERSON
Johannes Caspar, habilitiert in Staatsrecht, Verwaltungsrecht und Rechtsphilosophie, ist seit 2009 Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit. Er gilt als einer der pointiertesten und profiliertesten Verfechter der Idee von Privatheit und informationeller Selbstbestimmung.