Stuttgart
Unkonventionell, sehenswert

"Tatort" aus Stuttgart: "Der Mann, der lügt" wird aus der Sicht des Beschuldigten erzählt

02.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:51 Uhr
Seit zehn Jahren ein Team: Die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller, 2. von links) und Sebastian Bootz (Felix Klare, 3. von links) ermitteln am Sonntag in ihrem 21. Fall. −Foto: Kluge/SWR/dpa

Stuttgart (DK) Seit nunmehr zehn Jahren sind die Stuttgarter Kommissare Lannert und Bootz, gespielt von Richy Müller und Felix Klare, im Einsatz.

Im "Tatort: Der Mann, der lügt" lösen sie ihren 21. Fall. Doch der ist anders als alle bisherigen. Denn dieses Mal stehen nicht die beiden Ermittler im Mittelpunkt, der Krimi wird aus der Perspektive eines Verdächtigen erzählt. Ein umgekehrter "Tatort" quasi.

Alles beginnt mit einer Routinebefragung. Anlageberater Uwe Berger wurde ermordet. Und die beiden Kommissare wollen von Jakob Gregorowicz wissen, warum sein Name im Terminkalender des Opfers steht. Der bieder-brave Familienvater und Angestellte ein-er Maschinenbaufirma versichert, das sei ein Irrtum, er habe den Mann seit Jahren nicht gesehen. Bald wird klar, es ist die erste von vielen Lügen, die Gregorowicz den Ermittlern auftischt.

Lannert und Bootz bohren immer weiter, befragen seine Frau Katharina, überprüfen sein Alibi, bitten ihn zu Gesprächen ins Präsidium. Der Verdächtige hat auf jede Frage eine zunächst plausible Antwort. Doch stets tauchen neue Fakten auf. Es stellt sich heraus, dass er den Vermögensberater nicht nur regelmäßig getroffen hat, er hat durch den Mann auch 200000 Euro verloren.

Die Autoren Sönke Lars Neuwöhner und Martin Eigler, der auch Regie führt, schildern präzise und packend, wie aus einem Zeugen ein Tatverdächtiger wird, wie ein Mann sich immer mehr in Lügen verstrickt und welche Dynamik dabei entsteht. "Da wir aus der Perspektive des Verdächtigen erzählen, wird das Auftauchen der Ermittler als bedrohlich und beunruhigend wahrgenommen", sagt Eigler, "aber gleichzeitig wissen wir aus über 20 Filmen: Lannert und Bootz sind die Guten. Daraus entsteht hoffentlich ein interessantes Spannungsverhältnis. "

Das ist über die kompletten fast 90 Minuten sicht- und spürbar, am deutlichsten wird es in den Befragungs- und Verhörszenen, die viel Raum und Zeit einnehmen. Die zeigen, welche Anstrengung, Konzentration und Gedächtnisleistung es für den Hauptverdächtigen ist, gut und überzeugend zu lügen. Je mehr seine Aussagen aber mit der Realität abgeglichen werden können, desto schwieriger und auch aussichtsloser wird die Lage für Jakob Gregorowicz. Und es ist interessant zu beobachten, wie die Kommissare die Lügen aushebeln, immer tiefer vordringen in Richtung Wahrheit.

Manuel Rubey meistert die Rolle des Mannes, der lügt, herausragend. Mimik, Gestik, Körpersprache, Tonfall - alles passt und ist auf den Punkt gespielt. In beinahe jeder Szene mit ihm steckt eine Lüge, die genau dosiert sein muss, damit er sich weder für die Ermittler noch die Zuschauer zu früh offenbart. Der Grad seiner Verstrickung bleibt somit sehr lange unergründlich.

In diesem Krimi gibt es, wie sonst oft üblich, keine Erklärdialoge, nicht zig Verdächtige, alles konzentriert sich auf Gregorowicz und sein Umfeld, seine Frau (stark gespielt von Britta Hammelstein) und seinen im Rollstuhl sitzenden Schwager und Anwalt (Hans Löw darf schwäbeln). Der "Tatort: Der Mann, der lügt" ist ungewöhnlich, überraschend, unkonventionell und absolut sehenswert - nicht nur wegen Manuel Rubey.

"Tatort": Der Mann, der lügt, an diesem Sonntag, ARD, 20.15 Uhr.
 

Volker Bergmeister