Ingolstadt
Trainingslager für Profimusiker

Nachwuchssänger präsentieren in Ingolstadt, was sie bei einem Meisterkurs auf Schloss Sandersdorf gelernt haben

09.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:01 Uhr
Hitomi Kawai und Andreas Agler führen sehr launig in den Arienabend im Ingolstädter Stadtmuseum ein. −Foto: Schulze-Reimpell

Ingolstadt (DK) Meisterkurse sind mehr noch als alle Studiengänge an Musikhochschulen Trainingslager für künftige Profimusiker. Sie sind unentbehrlich, es gibt so gut wie keinen guten Musiker, der nicht mit ihnen in Berührung gekommen ist. Aber was geschieht eigentlich bei Meisterkursen?

Es macht die besondere Qualität des "Abschlusskonzerts der Teilnehmer am Meisterkurs Sologesang auf Schloss Sandersdorf", veranstaltet von der Internationalen Simon-Mayr-Gesellschaft, aus, dass sie nicht nur die Ergebnisse des tagelangen Unterrichts präsentiert, sondern auch den pädagogischen Prozess selbst ein Stück weit offenbart, genauso wie bestimmte Rituale des Theaterlebens.

Der Grund dafür liegt vermutlich in dem ungewöhnlichen Charakter des Kurses. Nicht ein Gesangspädagoge formte hier das Kunstverständnis der Studenten, sondern ein versierter Operndirigent (Andreas Pascal Heinzmann) und ein erfahrener Theaterregisseur (Marcus Everding) sowie eine Korrepetitorin (Amy Brinkman-Davis). So geriet das Konzert im Barocksaal des Stadtmuseum, das im Rahmen der Nacht der Museen stattfand, zu einer Art Performance.

Immer wieder gaben Everding und Heinzmann Erläuterungen. Sie arrangierten Spielszenen und Improvisationen. Und es wurde gesungen, sehr schön sogar. Denn die sieben aktiven Teilnehmer des Kurses - der Bariton Andreas Agler, die Sopranistin Alessia Broch, der Bassbariton Guido Drell, die Mezzosopranistin Hitomi Kawai, die Sopranistin Elisabeth Margraf, die Mezzosopranistin Christina Steger und der Bass Oleg Tynkov - sind begabt, fast alle haben sie bereits Erfahrungen mit Studium und Opernbühne. Sehr überzeugend haben die Kursleiter den Komponisten Simon Mayr quasi ins Zentrum des Programms gestellt, zwischen seinem genialen Vorgänger Wolfgang Amadeus Mozart und seinem grandiosen Schüler Gaetano Donizetti. So erklangen Arien aus Donizettis "Don Pasquale" genauso wie zahlreiche Nummern aus Mozarts "Don Giovanni" und "Le nozze di Figaro" sowie aus Mayrs Oper "Belle ciarle e tristi fatti".

Um das dramatische Element dieser Musik zu stärken, entschied sich Everding zu einem sehr originellen Kunstgriff. Während des Arienvortrags versinnbildlichten andere Kursteilnehmer Sinn und Inhalt der Musik durch eine Art Pantonmime. Dabei bewegten sie auch die Sängerinnen oder Sänger, führten sie durch den Raum, hoben deren Hände oder trugen sie aus der Szenerie. So sah das Publikum etwa wie Guido Drell als grobschlächtiger Bauer Masetto Hörner wachsen, weil Don Giovanni seine Braut verführt. Oder die Gräfin ("Figaro"), gesungen von Alessia Broch, die in ihrer langen Arie ihren ganzen Kummer herausschreit, muss mitansehen, wie hinter ihrem Rücken sich ein Pärchen vergnügt. Als witzige Einlage zeigte Everding zudem noch, wie das Vorsprechen in einem Theater abläuft. Und unübertrefflich komisch war es, als Everdings selbst die Karikatur eines Theaterintendanten abgab, der hastig, nachdem er den eigentlichen Regisseur gefeuert hatte, nun selber das Figaro-Sextett inszenieren wollte und dabei nur Chaos auslöst.

Die Sänger agierten souverän in diesen Situationen. Und sangen durchweg wunderbar. Die reifste Leistung kam dabei von der gebürtigen Japanerin Hitomi Kawai, die Mayr und Donizetti mit viel Wärme in der Stimme, sehr intonationssicher und mit kraftvollen Höhepunkten sang. Alessia Broch verkörperte eine sehr melancholische "Gräfin". Andreas Agier gestaltete souverän das Ständchen des Don Giovanni. Aber auch die anderen Teilnehmer machten ihre Sache sehr überzeugend. Etwa die erst 19-jährige Schrobenhausenerin Christina Steger, die mit noch ganz unverbrauchter, knabenhafter Stimme eine der Cherubino-Arien aus dem "Figaro" sang. Was für ein schöner Start in die Welt der Oper.

Jesko Schulze-Reimpell