Hamburg
Stresow und Schrader in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“

19.01.2019 | Stand 02.12.2020, 14:48 Uhr
Maria Schrader und Devid Striesow lösten Begeisterung aus. −Foto: Christian Charisius

Es wird gekeift, gespukt und geschlagen: In der Neuinszenierung von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ gehen die Schauspieler in Hamburg an ihre körperlichen Grenzen, um die Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen greifbar zu machen.

Es ist ein Kampf, der ihnen alles abverlangt. Nach rund zwei Stunden Spielzeit sieht man den Darstellern auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg ihre körperliche Erschöpfung förmlich an.

Die brachiale Darstellung der Beziehungsschlacht zweier amerikanischer Intellektueller scheint kurzzeitig ihren Tribut zu fordern. Intendantin Karin Beier präsentierte eine gelungene Neuinszenierung von Edward Albees weltberühmter Ehesatire „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ von 1962, in der die Protagonisten George und Martha ein skrupelloses Ehegefecht auskämpfen.

Begeisterung lösten Grimme-Preisträger Devid Striesow und Maria Schrader aus, die sich in den Hauptrollen einen ungehemmten Schlagabtausch liefern.

Bereits leicht alkoholisiert kommen der Geschichtsprofessor George und seine sechs Jahre ältere Frau Martha gegen zwei Uhr morgens von einer Feier nach Hause. Dort eröffnet Martha, die Tochter des Dekans, ihrem Mann, noch ein junges Paar auf einen Absacker zu sich geladen zu haben: den neuen Biologieprofessor Nick (Matti Krause) und seine Frau „Süße“ (Josefine Israel). Vor vollendete Tatsachen gestellt, beginnt George einen Streit mit ihr, der jedoch mit dem Eintreffen der Gäste vollends aus dem Ruder läuft. Was folgt, sind wahre Sternstunden psychologischer Kriegsführung.

Es ist eine angekündigte Eskalation, ein Abend voller „lebensgefährlicher Mengen Alkohol, expliziter, nicht gendergerechter Sprache und der Darstellung häuslicher Gewalt“, wie im Programmheft angekündigt wurde. Dass dabei das Fragile nicht verloren geht, liegt an der gelungenen Darbietung von Striesow und Schrader. Fulminant inszenieren sie den gnadenlosen Geschlechterkampf, bei dem sie sich gegenseitig an den Trümmern ihrer Beziehung, ihrer Kinderlosigkeit und ihrer Perspektivlosigkeit hochziehen, nur um sich im nächsten Moment mit eben diesen Trümmern erneut bewerfen zu können.

Sie ergeben sich ihrem Schicksal, manchmal beinahe wehmütig, wie Sonne und Mond, die im wiederkehrenden Rhythmus um die Herrschaft ihrer Machtsphäre konkurrieren, ohne den jeweils anderen jedoch nicht existieren können.

Dabei profitieren die Darsteller auch davon, dass Karin Beier bei ihrer Inszenierung auf Pausen verzichtet und den auf gut drei Stunden ausgelegten Stoff in Teilen gekürzt hat. So kann sich der Sog der Figurenkonstellation deutlich schneller entfalten, obgleich dies dem Stück im Umkehrschluss auch einen Teil seiner Interpretationsfläche raubt.

„Wer hat Angst vor Virgina Woolf?“ wurde am 13. Oktober 1962 am Broadway uraufgeführt, weltweite Bekanntheit erlangte es durch Mike Nichols oscarprämierte Verfilmung mit Elizabeth Taylor und Richard Burton im Jahre 1966. Heute zählt die zynische Ehesatire in drei Akten zu den großen Bühnen-Klassikern des 20. Jahrhunderts.

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