Ingolstadt
Tausendsassa aus Niederbayern

Martin Frank auf dem Parkdeck des Ingolstädter Nordbahnhofs

13.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:53 Uhr
Kabarettist oder Comedian? Martin Frank hat seinen eigenen Stil und begeistert auf dem Parkdeck des Ingolstädter Nordbahnhofs. −Foto: Hammerl

Ingolstadt (DK) Er hat keinen Bachelor, befindet sich mit 26 Jahren im Transitalter zwischen Kind und Erwachsenen – denn „Bibi und Tina“ schaut er nur noch, wenn es ihm schlecht geht, aber Sterbeanzeigen interessieren ihn noch nicht – und manchmal weiß er selber nicht, was Vor- und was Zuname ist. Seinen Namen aber sollten sich Kabarettbegeisterte merken: Martin Frank hat Klasse.

Die spielt er am Sonntagabend an ungewöhnlichem Ort aus. „Ich hab’ noch nie auf einem Parkdeck gespielt“, sagt er in komischer Verzweiflung. Doch die als „luftigste Bühne Bayerns“ angekündigte Location auf dem Parkdeck des Ingolstädter Nordbahnhofs entpuppt sich als ausgesprochen atmosphärisch und vor allem dank lauem Lüftchen angenehm temperiert. Und wenn gelegentlich ein Zug vorbeirauscht, dessen quietschende Bremsen zu hören sind oder ein Sanka aus der Ferne, so baut der junge Kabarettist das spontan ins Programm ein. 
 
Die Psyche und seine Herkunft aus einem niederbayerischen Bauernhof samt konservativer katholischer Oma geben jede Menge her für sein Soloprogramm „Es kommt, wie’s kommt“. Frank lässt sein vom ersten Augenblick an begeistertes Publikum teilhaben an seinem pragmatischen, unverfälscht bodenständigem Blick auf die Gesellschaft, in der scheinbar niemand mehr zählt, der nicht studiert hat, in der der Zugang zur Musikhochschule leichter wird, wenn der Professor der eigene Sugardaddy ist, während der Bauernbub aus dem Bayerischen Wald mit seiner Oma angereist ist und somit nur „eine Dampfnudel“ an seiner Seite hat. 
Nun ist er Kabarettist, „aber nur ein getarnter, denn eigentlich bin ich Opernsänger“. Was er immer wieder mit fantastisch guter Stimme beweist. Nur mit den Texten, da hat er es nicht so – was ihm, wie er verrät, die Aufnahmeprüfung am Mozarteum in Salzburg vermasselt habe. „Ich wurde abgebrochen“, erzählt er, dabei hatte er doch nur den kurzfristig abhandengekommenen italienischen Text der Torero-Arie aus der Oper „Carmen“ mit einem „Papa, schau, da liegt ein toter Ratz“ überbrückt. Beeindruckend – davon darf sich nun sein Ingolstädter Publikum überzeugen. 
 
Den „tief verborg’nen Sinn“, der in Carl Zellers Operette „Der Vogelhändler“ eigentlich in den „Dunkelroten Rosen“ liegt, verlegt Frank aufs Gießen im Friedhof, wo ihm „läufige Rentner mit wilden Düsen“ begegnen. Friedhofsbesucher lass’ dir gesagt sein: Achte darauf, wohin die Tülle beim Gießen zeigt. 
 
Selber hat er ganz andere Probleme, denn nachdem es keine Viehhändler mehr gibt, die nicht nur Viecher aufkauften, sondern auch übrig gebliebene Bauernkinder verkuppelten, „unterstützt mich niemand“. Weshalb er sich unter dem Pseudonym „Besamer *92“ im Internet auf ein Blinddate mit „Misses Überraschung“ verabredet. Das Resultat: Ein Albtraum in der folgenden Nacht, der für ihn mit dem künstlerisch-philosophischen Tattoo „Kein Trinkwasser“ an heikler Stelle endet. Wo er doch viel lieber „Oazapft is“ lesen würde. 
 
Frank erzählt vom Rentnerschwimmen, das ihm den demografischen Wandel bewusst macht – „drei alte Nudeln und I“, vom Vater, der den Rasenmäher auseinandernimmt, um festzustellen, dass der Tank leer ist, ihn aber nicht mehr zusammenbauen kann. Was nur noch vom Maschinenbaustudenten Max getoppt wird, der sie zwar ebenfalls nicht zusammenbauen, aber immerhin Rasenmäher zeichnen kann. Entlarvt die Frage, was er denn studiert habe, als Diskriminierung, erklärt den doppelt so hohen Preis der Leberkässemmel in München mit der studierten Verkäuferin „Frau Dr. Blutwurst, Darmspiegelung inklusive“ und lässt die Zuhörer an seinen Nöten als „erster nüchterner Nikolaus im Bayerischen Wald“ teilhaben. Der singt nicht nur „Vom Himmel hoch“ als Klage auf den Feinstaub, der ihm Asthma eingebrachte, sondern muss auch noch die Flötentöne untalentierter Kinder ertragen. 
 
Köstlich auch die Szenen an der Schauspielschule, an der zwei Welten aufeinanderprallen, und der Bauernbub als einziger in der Unterhose dasteht, nachdem die Dozentin aufgefordert hatte: „Befruchtet euch gegenseitig“. 
Ein hochamüsanter Abend auf dem Parkdeck mit einem Programm zwischen Kabarett und Comedy und einem mehrfach talentierten jungen Mann, der gerne noch mehr singen dürfte. Das war große Klasse.