Hamburg
Shitstorm für Kommissar Falke

16.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:59 Uhr
Selbstjustiz von Wutbürgern: Kommissar Thorsten Falke ( Wotan Wilke Möhring) ist erleichtert, dass es seinem Sohn Torben (Levin Liam) gut geht. −Foto: Hoever/NDR

Hamburg (DK) "Die Geschichte ist auch eine Zustandsbeschreibung unserer politischen Kultur. Alle scheinen ihrer Wut und ihrem Hass hinterherzulaufen", sagen Benjamin Hessler und Florian Oeller über ihr Drehbuch zum "Tatort: Treibjagd".

Darin geht es um eine Einbruchserie, Bürgerängste, Selbstjustiz und Hetze im Internet. Mittendrin die Kommissare Thorsten Falke und Julia Grosz.

Gerade noch saß ein rumänischer Jugendlicher bei ihnen auf dem Revier, wurde verhört und musste mangels Beweisen wieder freigelassen werden. Jetzt ist er tot. Erschossen bei einem Einbruchsversuch auf frischer Tat vom Besitzer eines Einfamilienhauses. Der Tote hat in der rechten Hand eine Waffe. Dieter Kranzbühler hat wohl in Notwehr gehandelt. Doch die Pistole erweist sich als Attrappe und es gab einen zweiten Schuss. Falke stellt Kranzbühler zur Rede. Der bekommt Unterstützung von seinem aufgebrachten Bruder Bernd, der das "Forum Nachbarschaftshilfe" anführt, das im Netz die vermeintliche Tatenlosigkeit der Polizei anprangert. Und schon wird Falke fotografiert und ist die neue Zielscheibe der Wutbürger.

Dann erinnert sich Falke daran, dass der Junge namens Kolya Linkshänder war. Und es stellt sich heraus, dass ein Komplize dabei war. Für den Zuschauer ist der Fall noch schneller klar als für das Ermittler-Duo. So geht es weniger um die Aufklärung der Tat denn um die Fahndung nach der einzigen Zeugin, der flüchtigen Einbrecher-Komplizin Maja Kristeva (Michelle Barthel) sowie der spannenden Frage: Wer findet sie zuerst: die Polizei oder Bernd und seine Kleinbürgerfreunde?

Regisseurin Samira Radsi (inszenierte auch die Serien "Deutschland 1983", "Die Protokollantin") setzt bei diesem Wettrennen auf Tempo und Dramatik. Ihr gelingt es gut, diese Atmosphäre aus Angst, Wut, Verdächtigungen und Schuldgefühlen einzufangen. Zentrale Figur ist der von Andreas Lust gespielte Bernd, der im Suff forderte, man müsste diese Ein-brecher erschießen, was sein Bruder dann in die Tat umgesetzt hat. So fühlt er sich mitverantwortlich, will Dieter vor dem Gefängnis bewahren und bläst zur "Treibjagd" auf die junge Frau.

Kein schlechter "Tatort", durchweg spannend, mit gut gezeichneten Charakteren und einem starken Ermittler-Duo: verlässlich Frau Grosz (Franziska Weisz), impulsiv Herr Falke (Wotan Wilke Möhring). Aber auch ein Krimi, der aktuelle Zustände beschreiben will - und nicht immer glaubwürdig ist.

Der "Tatort: Treibjagd" läuft diesen Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD.

Volker Bergmeister