Spröder Text mit Raum für Assoziationen

28.05.2008 | Stand 03.12.2020, 5:53 Uhr

Zwischen Wassergeist Undine (Natalie Forester) und Hans (Andreas Anke) entwickelt sich eine Liebesgeschichte. - Foto: Knoch

Ingolstadt (DK) "Worum geht’s hier eigentlich", fragt Georg (Klaus Müller-Beck) nach knapp einer Stunde Spielzeit. Und im Publikum hört man ein leises Lachen. Worum geht’s eigentlich in Sigrid Behrens "Gruppenmonolog" "Unter Tage"? Das Stück, sagt die Autorin nach der Vorstellung im Kleinen Haus, ist aus einem Prosatext entstanden, wurde später zum Schauspiel umgearbeitet und gewann einen Stückewettbewerb zum Thema "Ohne Arbeit – ohne Zukunft" und damit die Uraufführung im Mainfranken Theater Würzburg, das damit bei den Bayerischen Theatertagen gastierte.

Es ist kein einfacher Text und dass er ursprünglich nicht für die Bühne geschrieben wurde, hört und sieht man der Inszenierung an. Denn der Text – eine verdichtete und beziehungsreiche Kunstsprache – fordert viel Konzentration. Und weil er keine klare Handlung vorgibt, war Nada Kokotovic, die für Regie und Ausstattung verantwortlich zeichnet, gezwungen, Situationen zu erfinden, ohne in beliebige Bebilderung abzurutschen.

Man muss sich als Zuschauer darauf einlassen. Muss Text, Musik, Darstellung und Farbenspiel auf sich wirken lassen, erst dann kann man eintauchen in diese Stadt, die Nada Kokotovic aus mannshohen Stellwänden mit schwarz-weiß-schemenhafter Industriefotografie als Begrenzung setzt. Ein unwirtlicher Ort. Graue Leere. "Was sich hier sammelt, hat sich einfach gefunden", sagt Ludwig (Christian Higer). Urbane Wüste oder Gedankenraum? Wer weiß das schon? Hier treffen vier Wesen aufeinander: Hans, ein nachlässiger Anzugträger. Hat studiert. Ist bei der Post gelandet. Georg und Ludwig, Zwillinge, verbunden durch ein merkwürdiges Band, das nicht immer Sicherheit bedeutet, sondern auch Gefangenschaft. Das Gefahren birgt. Und Undine, Halbgöttin, Wassergeist. Sie treten auf und ab. Tanzen. Schlurfen. Jodeln. Toasten Toasts. Telefonieren. Vermessen den Raum. Träumen von Freibädern und Arbeitsplätzen mit Grünpflanzen in Parkhäusern. Von Leben. Von Liebe. Von Heimat. Erfinden Geschichten. Von "passenden Menschen". Menschen, die dazugehören. Menschen, die ganz anders sind als sie selbst. Nicht so fremd. Sich selbst nicht so fremd. "Immer auf der Suche, das sind wir. Als wüssten wir, worum es geht. Von wegen. Nichts wissen wir, wir glauben nur", sagt Georg. Ein Du wäre schön. Könnte Rettung bieten. Eine Liebesgeschichte beginnt. Zu Wassertropfen, Papierknistern und einer blaugrauen Farbsymphonie. Undine und Hans.

Aber ist das auch wahr? Oder ist diese Liebe so unwirklich wie die komischen Zwillinge, die Baustelle mitten in der unbelebten Stadt, die Frau vom Meer – nur Spinnereien eines unbeschäftigten, träumenden, traurigen, einsamen Geistes? Nachtgesichter? Traumgespinste

Andreas Anke, Natalie Forester, Christian Higer und Klaus Müller-Beck sprechen den spröden, atmosphärisch dichten Text mit großer Klarheit, mit skurrilem Witz, bisweilen mit zu viel Furor und aufgesetzter Bedeutsamkeit. Aber sie lassen dem Text seine Rätselhaftigkeit, schaffen Raum für Assoziationen. Weiterdenken erlaubt!