Ingolstadt
Spirituelle Grenzerfahrung

Konzertverein Ingolstadt: Das Trio Zadig gastierte mit Werken von Schubert und Mozart im Ingolstädter Festsaal

15.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:15 Uhr
Das Trio Zadig spielte drei der besten und berühmtesten Kammermusikwerke der Musikgeschichte im Ingolstädter Festsaal. −Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) An Leidenschaft und Vehemenz fehlte es den Musikern des Trio Zadig offenbar nicht. Nach dem spritzigen dritten Satz des überlangen Klaviertrios in Es-Dur von Franz Schubert hingen die Rosshaare wie Fetzen an den Geigen- und Cellobögen. Boris Borgolotto (Violine) und Marc Girard-Garcia (Cello) verschwanden verlegen hinter die Bühne, um schnell die Bögen auszutauschen.

Eigentlich überraschend. Denn im bisherigen Verlauf des Abends war das französische Trio nicht unbedingt durch musikalisches Draufgängertum aufgefallen. Eher im Gegenteil.

Der Konzertvereins-Abend des Trios Zadig (das kurzfristig für das Grieg Trio Oslo eingesprungen war) begann so romantisch, so süffig wie nur denkbar. Über gitarrenartig schimmernden Klavierakkorden strichen Geiger und Cellist milde schwelgend eine leise Melodie. Auf dem Programm stand ein langsamer Satz von Schubert, der als Einzelwerk aus dem Nachlass erhalten geblieben ist - das "Notturno" in Es-Dur. Der zarte Beginn ging dann fast abrupt in eine Art kraftvoll tänzelnde Volksweise über. Die beiden Streicher musizierten mit edel glänzendem, warm vibrierenden Tonfall. Eine Musik, so zart und ätherisch wie eine ferne Erinnerung.

Viel irdischer klang dann das zweite Werk des Abends: Wolfgang Amadeus Mozarts Klaviertrio Nr. 3 in B-Dur, ein Spätwerk des Komponisten von fast symphonischem Duktus. Die drei Musiker spielten luftig leicht, voller Raffinement und Eleganz. Gleich zu Beginn schien der Geiger Boris Borgolotto fast von seinem Stuhl abzuheben, um ein Höchstmaß an quirligem Temperament zu veranschaulichen, während der amerikanische Pianist Ian Barber die Töne perlen ließ. Aber: Von fetzigen Tönen, von harten Kontrasten und kratzigen Tönen war auch hier nichts zu hören. Der Duktus blieb im engen Rahmen kultivierter Tonschönheit.

Und damit unterscheidet sich dieses Trio keineswegs von den meisten anderen Ensembles dieser Art. Es ist immer wieder verblüffend, wie wenig stilistischer Einfluss von der Originalklangbewegung (etwa eines Nikolaus Harnoncourt) mit ihrem ruppigen Extremismus, ihrer breiten Farbpalette und dem manchmal eisig wirkenden vibratolosen Spiel bis heute auf die Kammermusikszene ausgeht.

Mehr in Fahrt gerieten die drei Musiker erst beim großen Schubert-Trio in Es-Dur. Das allerdings ist ein wirklich schwerer Brocken, allein die Aufführungsdauer hat fast Dimensionen Mahlerscher Sinfonien. Dabei lotet der Wiener Frühromantiker einen breiten Horizont der Empfindungen aus. Diese Musik schwankt ständig zwischen Dur und Moll, zwischen ländlerhafter Glückseligkeit und Abgründen der Verzweiflung, zwischen himmlischer Melodik und existentieller Spannung. Kein Wunder: Das Spätwerk entstand kurz vor Schuberts Tod fast gleichzeitig mit dem tief depressiven Liederzyklus "Winterreise". Robert Schumann hörte 1836 in dem Werk sehr treffend "tiefen Zorn und wiederum überschwängliche Sehnsucht" heraus.

Das Trio Zadig fand die richtigen dramaturgischen Mittel, dieser musikantisch-spirituellen Grenzerfahrung Herr zu werden: drahtige Beweglichkeit, schlanke Tongebung und zügige Tempi verliehen dem Werk fast südländisches Temperament. In den langsamen Passagen riskierten die Musiker fast alles, spielten kaum hörbar leise, abgründig mit fahler Tongebung und grollend tiefen Trillern, die das Entsetzen inmitten seliger Melodien spürbar machten. Wunderbar!

Das Publikum feierte mit Bravorufen das Trio, das sich darauf mit einer Zugabe bedankte: Edward Elgars "Salut d'Amour". Ein Konzertende mit viel süffigem Streichersamt.
 

Jesko Schulze-Reimpell