Ingolstadt
Slawische Geschichten

Die Staatliche Slowakische Philharmonie Ko?ice gastiert in Ingolstadt

15.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:58 Uhr
Lang anhaltenden Beifall gab es für Marie-Claudine Papadopoulos und die Staatliche Slowakische Philharmonie Ko?ice. −Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Musik kann viel mehr als nur schöne Harmonien, interessante Themen, mitreißende Melodien transportieren.

Sie vermag Lokalkolorit zu vermitteln, Inhalte, sogar nationales Pathos. Etwa die Sinfonische Dichtung "Ma Vlast" (Mein Vaterland) von Bed? ich Smetana, mit dessen erstem Satz am Mittwochabend das Konzert der Staatlichen Slowakischen Philharmonie Ko?ice im Ingolstädter Festsaal beginnt: "Vy?ehrad" berichtet von den Mythen, die sich um die Prager Burg ranken.

Der narrative Gestus wird dabei selber thematisiert, indem Smetana den Satz mit einem hymnischen Harfensolo beginnen lässt, so als wollte ein Barde gleich mit seiner Erzählung beginnen. Dirigent Zbyn? k Müller lässt dieses gewaltige Solo mit Rubato und viel Ergriffenheit spielen: eine Art Rahmen für alles, was jetzt noch geschehen soll. Zunächst viele statische Elemente der Musik, lange anschwellende Akkorde, Pausen. Ein Ablauf, der kaum vorankommen will. Ruhig und massiv wie die Schutzwälle der uralten Burg.

Müller leitet das ausgezeichnet, die Musiker spielen, als wären sie für diese Musik geboren. Ihnen gelingt eine wunderbare Balance zwischen wuchtigen Einsätzen und schmelzend-weichem Ausdruck, etwa der Geigen. Dann wird es doch noch temperamentvoller. Offensichtlich werden die Kämpfe um die Burg geschildert. Und Müller treibt sein Orchester an, lässt es tänzeln, die Motive fließen munter ineinander, mit viel Drive - bis zum milden Ausklang, der alle wilden Geschichten wie einen fernen Traum wirken lassen.

Der Beginn des Konzertes hätte kaum besser ausfallen können. Und die Philharmoniker aus Ko?ice zeigten, dass sie zu Recht den Ruf haben, ein außergewöhnlich präzise arbeitendes Orchester zu sein.

Auch das zweite reine Orchesterstück des Abends beschwört nationales Kulturgut. Antonín Dvo? áks fünfte Sinfonie gilt nicht unbedingt als das Meisterstück des tschechischen Komponisten. Aber bereits in dieser frühen Sinfonie verbindet er geschickt volkstümliche Motive seiner Heimat mit klassisch-sinfonischen Strukturen.

Und tatsächlich spielen die Musiker an keiner Stelle so engagiert, so locker und fließend wie bei den besonders folkloristischen Passagen. Grandios etwa der langsame Satz mit seinen weit ausschwingenden, sehr charaktervollen Themen. Genauso hinreißend wirkt die Leichtigkeit, mit der Müller das Scherzo aus dem langsamen Satz hervorgehen lässt. Das Orchester zeigt sich in Bestform, da kicksen keine Hörner, da klingen die Streicher saftig und weich, ohne konturlos zu erscheinen, die Holzbläser fügen elegant volkstümliche Farbtupfer hinzu.

In anderes sinfonisches Terrain begeben sich die Musiker beim dritten Violinkonzert von Camille Saint-Saëns mit der Solistin Marie-Claudine Papadopoulos. Das Konzert ist eigentlich noch schwerer als es klingt, besonders der Kopfsatz, zumal wenn man ihn so gestaltet wie Papadopoulos. Denn Saint-Saëns möchte der Violine einen möglichst dunklen Klang verleihen. Papadopoulos spielt große Teile ihrer Partie auf der G- und der D-Saite, teilweise in sehr hoher Lage - einer Herausforderung, der sie, was Klang und Intonation betrifft, nur mit Mühe gewachsen ist.

Dennoch lang anhaltender Beifall am Ende. Hinreißend schließlich besonders die Zugabe des Orchesters, das sich mit einer munteren, sehr souverän dargebotenen Version von Smetanas "Tanz der Komödianten" aus seiner Oper "Die verkaufte Braut" verabschiedete. Musik, die den wunderbaren Philharmonikern offenbar im Blut liegt.

Jesko Schulze-Reimpell