München
Seide für die Affen

Das Bayerische Nationalmuseum in München zeigt in einer Ausstellung Luxus und Lebenslust des Barock

28.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:35 Uhr
Simon Troger: "Pluto entführt Proserpina in die Unterwelt". −Foto: Foto: Haberland

München (DK) Dass sich eine Königin in einen Weiler zurückzieht, das Landleben mit Kühen und Garten genießt und selbst "nur" Baumwollkleider anzieht, war eine französische Mode unter Marie Antoinette am Ende des 18. Jahrhunderts.

Sie folgte darin den Idealen des Philosophen Jean-Jacques Rousseau, der ein Leben nah an der Natur idealisierte. Diesen Spuren, wie sich das Leben der Adeligen wandelte vom 17. ins 18. Jahrhundert, vom Barock zum Rokoko, kann man nun auch im Bayerischen Nationalmuseum in München folgen. Unter dem Titel "Barocker Luxus - Meisterleistungen der Kunst und des Kunsthandwerks" zeigt die neue Dauerausstellung die Spezialsammlungen des Hauses zu Möbeln, Porzellan, Elfenbein, Silber, Glas, Spielen, Waffen, Musikinstrumenten und Mode.

Eine Schokoladenkanne aus Meißen von 1740 zeigt als Dekor das Schloss von Versailles, belebt von einer Kutsche und Reitern. Exotische Heißgetränke waren damals ein kostspieliges Vergnügen und lösten als Modegetränk den Alkohol ab. In allen Lebensfragen war Frankreich stilbildend - alles, was sich auf das französische Königshaus bezog, war Mode. Insofern verwundert es nicht, dass sich auch eine Bayreuther Herzogin in ein Sommerschlösschen aufs Land zurückzog. Ihr "Arbeitskabinett" zeigt in der Vertäfelung ländliche Szenen, hergestellt von dem Bayreuther Kunstschreiner Johann Friedrich Spindler, der anschließend in Potsdam Karriere machte. Dieses Kabinett war seit 1991 im Museum abgebaut und ist nun ebenso wieder zu bewundern wie jene bemalten Seidentapeten aus dem Besitz der Münchner Grafen Tattenbach, die ursprünglich an der Münchner Residenzstraße eine Weinlaube vorspiegelten.
In der Mode gab es kostbare Seidenwesten für den Herrn - sogar Affen, die als Haustiere gehalten wurden, trugen Miniatur-Westen aus Seide. Die Dame von Adel aber trug indischen Baumwoll-Chinz, aufwändig mit 18 Farben von Hand bemalt, und unter dem weiten Rock ein Gestell aus Eisen, um möglichst weite Hüften vorzutäuschen. Auch dies ein Einfluss aus Frankreich - wobei Marie Antoinette einst in Ungnade gefallen war bei ihrem Volk, weil sie die französische Seidenraupenzucht in eine Krise stürzte durch ihre voluminösen Baumwollkleider. Allein die ausgestellte Kinderkleidung verrät eine Tendenz, natürliche Körperformen zuzulassen, frei nach den Idealen von Rousseau.

Die Natur sollte auch die Speisetafel zieren, weshalb die neu gegründeten Porzellan-Manufakturen aufwendige Ragout-Schüsseln fertigten, deren äußere Gestalt zeigte, was sich im Inneren verbarg: Ein Kohlkopf, ein Bund Spargel, ein ganzer Hirsch oder eine Schildkröte zierten den Tisch, kunstvoll geformt aus dem "weißen Gold" und täuschend echt farbig bemalt und gebrannt. Wer an einem hochoffiziellen Essen teilnehmen durfte, der hatte freilich kein persönliches Weinglas, wie an der für 30 Gäste eingedeckten "Silbertafel" zu sehen ist. Vielmehr stand auf Kredenztischen ein kostbarer Glaskühler aus Silber, gefüllt mit kühlem Wasser, darin wurden die Glaspokale vorgekühlt und dann - wohl zu einem Trinkspruch - an die Tafel gereicht. Der Mainzer Erzbischof konnte sogar einen gläsernen Römer füllen lassen, der vier Liter fasste - ein Still-Leben von Pieter Claesz zitiert als Gemälde-Leihgabe den Lebensstil der Überfülle und Schönheit.

Edle Materialien spielten eine große Rolle - ob nun der Panzer von Schildkröten, der Jagdgewehre ummantelt, transluzider Bernstein für einen Spielkasten oder die Herstellung von Objekten aus Elfenbein. Der bayerische Bildhauer Georg Petel schnitzte aus den Elefantenzähnen Kruzifixe, Kurfürst Max III. Joseph drechselte persönlich ein skurriles Objekt mit Kugel und Spirale aus dem kostbaren Werkstoff aus Afrika. Auf die Produktion von edlen Möbeln war die Werkstatt der Familie Roentgen aus Neuwied am Rhein spezialisiert, die sogar in Paris eine Niederlassung gründete und die Zaren in St. Petersburg belieferte. Einlegearbeiten für einen Schrank, gefertigt für den französischen Hof in Versailles, haben immerhin als Tischplatten überlebt - auch Luxusmode wird nach einer gewissen Zeit unmodern und dann recycelt.

Es ist eine Fülle von 1600 Kostbarkeiten, die in zwölf Sälen auf 1300 Quadratmetern ausgebreitet und in schlichten Vitrinen sorgsam ausgeleuchtet werden. Der Westflügel des Museums ist pünktlich zum Abschied von Direktorin Renate Eikelmann wieder bespielt - nach langen Jahren der Sanierung. Jeder Besucher ist eingeladen, sich genau die Objekte vor Augen zu führen, die ihn besonders interessieren und amüsieren. Unterhaltung versprechen in jedem Fall - frei nach dem Titel des berüchtigten Briefromans - die "gefährlichen Liebschaften", die Franz Anton Bustelli in kleinen Porzellanfiguren darstellte. Diese Paare der Commedia dell'arte, die mit ihren spannungsgeladenen Gesten Beziehungsgeschichten zu erzählen wissen, leisteten mit Sicherheit einen förderlichen Beitrag zur Konversation an der Barock-Tafel.

Dauerausstellung im Bayerischen Nationalmuseum, Prinzregentenstraße 3, geöffnet täglich außer montags 10 bis 17 Uhr. Experten-Führungen am Sonntag, 1. Juli, zwischen 14 und 16 Uhr.

Annette Krauß