München
Seelenloses Nachtstück

Trostlos und langweilig: Martin Kusej inszenierte Schillers "Don Karlos" im Residenztheater München

08.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:16 Uhr
Sich fügender Anti-Held: Nils Strunk als Don Karlos. −Foto: Foto: Horn

München (DK) Schwarz ausgeschlagen ist die Bühne, schwarz sind die Kostüme, schwarz ist die Nacht und schwarz sind die Seelen all der Protagonisten in dieser Aufführung.

Trostlosigkeit allüberall. Kein Fünkchen Hoffnung oder Zuversicht. Nichts und nirgends. Residenztheater-Intendant Martin Kusej inszenierte "Don Karlos", Friedrich Schillers "dramatisches Gedicht", als ein von Pessimismus zwischenmenschlicher Beziehungen restlos durchtränktes, pechschwarzes Nachtstück.

Das in diesem Drama durchschimmernde Schillersche Ideal des Humanismus, die durch die Ideen der Aufklärung als selbstverständliche, als notwendig erachtete und vehement geforderte persönliche Freiheit, das Postulat auf Menschenwürde und Selbstbestimmung des Individuums, all das hat Kusej radikal ausradiert. Ausschließlich die Allmacht des absolutistisch regierenden Herrschers in Spanien des 16. Jahrhunderts mitsamt der unseligen Verquickung mit der katholischen Kirche zeigt Kusej als unumstößliche Grundpfeiler der Politik König Philipps II. auf. Wer dagegen opponiert, wird hier nicht der Inquisition übergeben, sondern brutal in einen (unter der Bühne platzierten) Teich gestoßen und mit Benzin übergossen, bis die Stichflammen auch den letzten Rest des Opfers verbrannt haben. Auch Philipps Sohn Don Karlos hat sich dem Diktat des Vaters unterzuordnen. Er muss nicht nur akzeptieren, dass er seine Geliebte Elisabeth von Valois dem Vater abzutreten hat, sondern dass auch sein mit seinem Freund Marquis Posa ausgeheckter Plan scheitert, die Unabhängigkeit der Niederlande von der spanischen Fremdherrschaft zu erreichen. Ein klassischer Vater-Sohn-Konflikt, dazu politische und persönliche Intrigen schier ohne Ende und massive Querschüsse von Opportunisten und Karrieristen aus dem Hinterhalt.

Doch über vier Stunden hinweg trägt diese von Kusej präsentierte Endzeitstimmung der Herren im spanischen Renaissancegewand (von Heide Kastler) als historisches Stationendrama ohne jeglichen aktuellen Zeitbezug leider nicht. Zwar visualisiert er zwischendurch mit einer - von Annette Murschetz entworfenen - unüberwindbaren Mauer aus blauen Speerspitzen, dass es für alle Beteiligten kein Entrinnen aus der ideologischen Gefangenschaft gibt, aber leider viel zu statisch und zu monoton rauscht diese Neuinszenierung unter einem mit Strasssteinen bestückten, vom Bühnenhimmel kalt leuchtenden Lichtquadrat vorüber.

Alle "großen Mimen deutscher Zunge", wie es früher so schön pathetisch hieß, haben mit ihrer Schauspielkunst dieses Drama über politische Willkür und die von Marquis Posa eingeforderte Gedankenfreiheit seit der Uraufführung 1787 veredelt, so auch Nils Strunk als von des Vaters Unbeugsamkeit gebeutelter Königssohn Don Karlos. Ein zunächst ehrgeiziger, dann gebrochener und letztlich sich fügender Anti-Held ist er keine Kämpfernatur. Thomas Loibl verkörpert in dieser nur von Tristesse und Düsternis reichlich kündenden Aufführung den machtbesessenen Philipp II. ebenso prägnant wie Manfred Zapatka den Großinquisitor als widerlichen Gottesmann abgibt. Und neben viel Speichelleckern und anderen dunklen Gestalten glänzt Franz Pätzold in der Rolle des schwärmerischen Freidenkers Marquis Posa, während Lilith Häßle und Meike Droste die zwischen Liebe und Staatsräson zerriebenen Elisabeth von Valois und die Gräfin Eboli wenigstens als starke Frauen abgeben.

Mag diese "Don Karlos"-Version für Connaisseurs schaumgebremsten Sprechtheaters im historischen Gewande und historischen Gewändern eine durchaus überzeugende Aufführung sein, so gab's für das Ensemble zwar reichlich Schlussapplaus, aber das Premierenpublikum quittierte nach vier Stunden überlanger Spieldauer diese Neuinszenierung nur mit geringem Beifall und mit ein paar kernigen Buhs für den Regisseur.

Die nächsten Vorstellungen sind am 16. Juni und am 1., 9., 12. Juli. Kartentelefon: (089) 21851940.