Profane Formschönheit

Der Münchner Bildhauer Martin Wöhrl begeistert mit seinen Werken aus Beton im Ingolstädter Kunstverein

03.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:13 Uhr
Karin Derstroff
Spannendes Spiel mit Beton: Martin Wöhrl stellt derzeit in Ingolstadt aus. −Foto: Weinretter

Ingolstadt - "From nose to tail", also vom Rüssel bis zum Schwanz, ist dieser Elefant 2,20 Meter lang und so grau wie Beton.

"Schwer ist leicht was", möchte man fast sagen bei dieser immanent komischen Arbeit des Münchner Bilderhauers Martin Wöhrl, die der aktuellen Ausstellung im Ingolstädter Kunstverein ihren Namen - "Elephant in the Room" - gab. Humor, Leichtigkeit, Spielerisches gehört zum Werk des 46-Jährigen, auch wenn es, wie im vorliegenden Fall tatsächlich aus Beton besteht.

Eine Art schmales Kaminrohr mit einer kleinen 90-Grad-Biegung oben und unten ist sein Elefant - und der zieht zusammen mit fünf weiteren großen Betonskulpturen eine mittige Linie parallel zu den sieben sechseckigen Säulen der Galerie stracks nach hinten hin.

Beton also zu Beton: Wie konzipiert für diesen Raum im Souterrain des brutalistischen Hämer-Baus wirken die Werke, aber sie sind es natürlich nicht. Seit vier Jahren beschäftigt sich der vielfach mit Preisen und Stipendien bedachte Künstler mit Beton, auch die erste Arbeit dieses Materials ist in der Schau zu sehen: der Türstock einer Verandatür aus dem Jahr 2016. Die Fotos vom Schaffensprozess, die Wöhrl am Eröffnungstag bereitwillig zeigt, erzählen viel von seiner Arbeit. Da wird aus Latten und Brettern, aus Resten und Stücken, ein In-etwa-Modell des real existierenden Türstocks zusammengenagelt und geschraubt, bis eine adäquate Guss-Form entstanden ist - ein handwerkliches, leicht-sinniges, intuitives Schwelgen im materialhaften Tun ist das!

Fast noch mehr davon bei "Glocknerblick" (2018). Hier stand der gedrechselte Holzträger einer Skihütte auf dem Großglockner Modell; sein künstlerisches alter ego ist ein faszinierendes Zwitterwesen aus eleganter Säule und plumpem Balken geworden, aus Verneigung vor traditionellem Handwerk und augenzwinkernder Ironie.

Auch auf einen Abflussschacht fiel Wöhrls motivsuchendes Auge schon, nun prangt der "Gully", der wie der "Glocknerblick" übrigens auch schon in New York zu sehen war, in profaner Formschönheit eingangs der Skulpturen-Sechserreihe.

Es ist ein spannendes Spiel zwischen zitierter Form und schnödschönem Material, das der ehemalige Meisterschüler James Reinekings an der Münchner Akademie leichthändig spielt. "Die Liebe zum Werkstoff", erzählt Wöhrl denn auch, sei maßgeblich für ihn. Fein zu sehen ist das in den großen Wandbildern, quasi Flachskulpturen, aus Laminaten, Beton-Optik-Brettern, Pressspan, Aluminium, Holz: minimalistische Puzzles von großem Reiz, seltsame Wandteppiche, die mit den kleinen, an Wappen erinnernden Betonobjekte auf der anderen Seite der Galerie Elefant und Co. sinnfällig ergänzen.

DK


Kunstverein, bis 5. Juli, Freitag bis Sonntag 12 bis 18 Uhr.

Karin Derstroff