Ingolstadt
Prickelnd, funkelnd, leuchtend

Das Danish Dance Theatre zeigt zwei bewegende Ballett-Produktionen im Stadttheater Ingolstadt

07.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:27 Uhr
Tanz um einen Diamanten: Szene aus "Black Diamond". −Foto: Meisner

Ingolstadt (DK) Töne wie zerplatzende Perlen scheinen direkt auf die Akteure einzuwirken, die sich mechanisch wie Roboter zur pulsierenden elektronischen Musik von Anders Trentemøller auf der Bühne bewegen.

Obwohl - mechanisch wirkt der Tanz des Pärchens hauptsächlich aufgrund der futuristischen Musik. Denn die Bewegungen der Tänzer sind in sich geschmeidig und harmonisch. Technisch perfekt, ausdrucksstark und mitreißend emotional tanzt sich das elfköpfige, international besetzte Ensemble des Danish Dance Theatre in die Herzen der Zuschauer im zu etwa drei Viertel gefüllten Großen Haus des Stadttheaters.

"Black Diamond" von Tim Rushton, der bis vor kurzem Künstlerischer Leiter des Ensembles war, erzählt zur Musik von Trentemøller, Balanescu und Philip Glass eine Geschichte, die irgendwo zwischen dem Tanz ums Goldene Kalb aus der Bibel und einem modernen Fantasy-Roman angesiedelt ist. Der mindestens Straußenei- bis Kindskopfgroße funkelnde Diamant geht durch viele Hände, weckt Begehrlichkeiten, scheint mal Morgengabe, mal erobertes Beutestück. Licht und Schatten unterstützen die energiegeladene Performance der beiden wie Mumien eingewickelten Hauptakteure, die einen bizarren Totentanz aufzuführen scheinen - sinnlich, prickelnd, kraftvoll und damit endend, dass er sie aus den Bandagen auswickelt, bis sie nackt neben dem Diamanten zu Boden geht. Mit Bravorufen belohnt das Publikum diese spannenden, knisternden 35 Minuten Freude an der enormen Körperbeherrschung von Luca Marazia, Alessandro Sousa Pereira, Maxim-Jo Beck Mc Gosh, Fabio Liberti, Emily Nicolaou, Csongor Szabó, Jernej Bizjak, Joe George, Jessica Lyall, Lukas Hartvig-Møller und Hollie Tuxford, an Harmonie und Synchronizität ihrer Bewegungen, die mal zart-romantisch, mal akrobatisch-maskulin ausfallen.

Tief unter die Haut geht das zweite Stück des Abends, "Kridt" (Kreide) zur "Musica Adventus" von Peteris Vasks, ebenfalls choreografiert von Tim Rushton, der hier auch Bühne und Lichtdesign verantwortet. "Zeit zum Lieben, Zeit zum Hassen, Zeit zum Weinen", schreibt eine Tänzerin mit Kreide an die Wand, und der Mann, der schon in sein Schicksal ergeben am Boden lag, kämpft sich noch einmal hoch. Erlebt noch einmal tiefe Emotionen, Sehnsucht, Schmerz, Einsamkeit, schwankt zwischen aufflackerndem Kampfgeist und Resignation, zögert den bevorstehenden Tod noch einmal hinaus um eine Gnadenfrist - doch alles hat seine Zeit, das Hassen und das Lieben, Geborenwerden und Sterben.

Ein ergreifendes Stück, das bei den Zuschauern ebenfalls sehr gut ankommt, wie die Stehenden Ovationen zeigen.

Weitere Vorstellung: heute Abend 19.30 Uhr im Großen Haus.

Andrea Hammerl