München
Plaudereien im Pissoir

Amir Reza Koohestani inszeniert "Macbeth" an den Kammerspielen

09.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:04 Uhr
Macbeth: Christian Löber ist in der Titelrolle zu sehen. −Foto: Aurin

München (DK) Eine klare Arbeitsteilung: Während im Residenztheater Shakespeares blutrünstige, von Intrigen und Morden reichlich gesättigte "Macbeth"-Originalfassung als hochdramatisches Psychostück über die Bühne donnert, erschöpft sich die Neuinszenierung in den Kammerspielen als Werkstatttheater einer Studiobühne. Eine Aufführung für ein Publikum, das keine beeindruckenden Regieideen und große schauspielerische Leistungen goutieren will. Zufrieden mit einer bunten Mischung aus respektablen Kammerspiele-Mimen und schauspielerisch wenig überzeugenden Selbstdarstellern. Man will ja nur unterhalten werden. Das genügt.

Ehrenwert ist es ja, dass der iranische Regisseur Amir Reza Koohestani in seiner von ihm auch inszenierten Shakespeare-Fassung die Notwendigkeit einer Verständigung unterschiedlicher Kulturen und Weltanschauungen eingebaut hat. Aber die hierbei aufgezeigten Lösungsversuche bleiben leider in der zwar gewünschten, aber letztlich gescheiterten Integration stecken. So hat er die Rolle der Lady Macbeth doppelt besetzt: Gro Swantje Kohlhof als giftige Mordanstifterin und Mahin Sadri als stolze Emigrantin, die nach Deutschland geflüchtet ist, doch ihre Identität als Iranerin nicht aufgeben will und den Shakespeare-Text in ihrer Heimatsprache Farsi spricht. Und das ist nicht das einzige Verwirrende in dieser Inszenierung, die auch als Theater auf dem Theater gespielt wird, da das Ensemble nicht nur Shakespeares (hier verfremdetes) Stück aufführt, sondern zwischendurch auch noch die Probenarbeit zeigt.

Dabei ist der Prolog durchaus witzig geraten, wenn Walter Hess als König Duncan im Schottenrock und ein paar Blutspritzer im Gesicht als beflissener Dozent eines Volkshochschulkurses eine Kurzfassung des Stückes gibt. Dazu preist er als Vorsorge für all die von Mord und Totschlag, von Raufhändel und Messerstechereien bedrohten Adligen und deren Sekundanten aus Schottland und England (und dem Publikum in den ersten Reihen) ein Lösungsmittel in der Tube an, mit dem das geflossene Blut vom Körper rückstandsfrei entfernt werden kann. Und berührend ist es, wenn Polina Lapkovskaja als Hexe in herzerweichenden Liedern den Untergang all der Alphamännchen besingt.

Dabei fließt in dieser Inszenierung gar nicht so viel Blut wie in anderen "Macbeth"-Aufführungen. Stattdessen treffen sich Macbeth (Christian Löber als Schlaffi im Bademantel) und Banquo (Stefan Merki als auftrumpfender Underdog) im Pissoir. Den Aufstand gegen Duncan, den König von Schottland, haben sie erfolgreich niedergeschlagen und besiegeln an den Urinals nun ihre ewige Treue. Lange hält diese Piss-Freundschaft wegen Macbeth' unstillbarem Ehrgeiz, selbst König von Schottland zu werden, freilich nicht an. Duncan wird nach so manchen Plaudereien im gar nicht so stillen Örtchen wenig theatralisch ins Jenseits befördert, Banquo ergeht es nicht anders. Ohne dramatischen Biss und in einem babylonischen Sprachengewirr mit deutschen und englischen Übertiteln schnurrt hier alles ab.

Wenig überzeugend ist auch die Regieidee, Shakespeares Klassikerdrama mit "work in progress"-Szenen eines bei den Proben zunehmend zerstrittenen Schauspielensembles zu kontrastieren. Allein der viel zu lang geratene Einschub der ersten Leseprobe mit all den zur Schau gestellten Eitelkeiten und persönlichen Anwürfen der Mimen-Mimosen mag ja ein interessanter Blick hinter die Kulissen des Theateralltags sein, aber besonders spannend ist dies ebenso wenig wie das gesamte Geschehen auf der stets rotierenden Drehbühne (von Mitra Nadjmabadi): Zwischen Klo, Bad und Lotterbett des Macbeth-Ehepaares rauscht nur eine undramatisch hingeplauderte Allerweltsstory über Neid, Missgunst, Intrigen und tödliche Machenschaften über die Bühne: Shakespeare light.

ZUM STÜCK
Theater:
Münchner Kammerspiele
Regie:
Amir Reza Koohestani
Live-Musik:
Pollyester
Läuft bis:
27. Januar 2019
Kartentelefon:
(089) 23 39 66 00