Parforceritt durch Zeit und Raum

Neue Lesereihe am Stadttheater Ingolstadt: "Liebesgeflüster"

26.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:35 Uhr
Theresa Weihmayr und Peter Rahmani lesen Gottfried Kellers Novelle "Romeo und Julia auf dem Dorfe" im Großen Haus. −Foto: Weinretter

Ingolstadt - Schlicht "Shakespeare" heißt der Abend.

Auftakt zur zweiteiligen Lesereihe, die das Stadttheater Ingolstadt in Anspielung auf das Spielzeitmotto mit "Liebesgeflüster" überschrieben hat. Aus unterschiedlichen Perspektiven wolle man sich dem Phänomen der Liebe annähern, erklärt Dramaturg Johann Pfeiffer, indem jeweils ein klassisches und ein zeitgenössisches Werk aufeinanderträfen. Im Großen Haus dreht sich am Donnerstagabend die Discokugel im roten Schummerlicht, während Theresa Weihmayr und Peter Rahmani einen Auszug aus der Balkonszene aus "Romeo und Julia" darbieten, der berühmtesten Szene des Stücks. Rahmani benötigt dazu kein Textbuch - schließlich gab er vergangenes Jahr den Romeo, als Mareike Mikat die größte Liebesgeschichte aller Zeiten auf den Rummelplatz verlegte.

Das Liebespaar, das zueinander nicht kommen kann: Um diese Thematik geht es an diesem ersten so anrührenden wie unterhaltsamen Abend, der Gottfried Kellers Novelle "Romeo und Julia auf dem Dorfe" der postmodernen Textfläche "Shakespeare is dead - get over it" des belgischen Autors Paul Pourveur gegenüberstellt.

Theresa Weihmayr und Peter Rahmani lesen die Geschichte von Sali und Vrenchen, die wegen des erbitterten Streits ihrer Väter Manz und Marti um einen Acker keinen Umgang haben dürfen. Als sich beide Männer schließlich gegenseitig zugrunde gerichtet haben, der alte Marti in eine Anstalt gebracht, sein Hof versteigert werden soll und Vrenchen die Stadt verlassen muss, um sich als Dienstmagd zu verdingen, beschließen die beiden jungen Leute, noch einen letzten schönen Tag miteinander zu verbringen - und dann gemeinsam aus dem Leben zu scheiden. Gottfried Keller hatte im September 1847 in der Zeitung über den Selbstmord eines jungen Pärchens in der Nähe von Leipzig gelesen und beschlossen, aus dem Stoff eine Geschichte zu machen. Sie wurde Teil des Erzählbandes "Die Leute von Seldwyla".

Dass Pourveurs Text "Shakespeare is dead - get over it" ganz anders ist, verrät schon das freche musikalische Intro und der Lichtwechsel zu Hellgrell. Sascha Römisch und Sarah Schulze-Tenberge nehmen jetzt an den Lesetischen vor dem Eisernen Vorhang Platz und künden abwechselnd von verschiedensten Ereignissen des 5. August, die höchst skurril zusammenhängen. Da erschießt der junge William in Stratford verbotenerweise einen Damhirsch und muss nach London fliehen, wo er eine Theaterkarriere beginnt. Dann gibt es die junge Schauspielerin Anne, die eine Rolle in Shakespeares Königsdramen spielt und in der Gegenwart den Globalisierungsgegner William kennenlernt. Wie beide durch das Leben und die Liebe mäandern, auf Shakespeares Spuren wandern und wie alles mit allem zusammenhängt, davon erzählt dieser komisch-ironische, assoziations- und zitatenreiche Text, den Sascha Römisch und Sarah Schulze-Tenberge mit Lust am Spiel als keckes Wortkonzert vortragen.

Eine gute Stunde dauert dieses "Liebesgeflüster", das am Sonntag, 28. Juni, um 19 Uhr noch einmal zu hören ist. Teil 2 folgt dann am 3. und 5. Juli, trägt den Titel "Zwischen den Geschlechtern" und wird Stefan Zweigs Novelle "Angst" von 1910 über die Ängste einer Ehebrecherin dem Beziehungsdrama "Liebe/Eine argumentative Übung" von Sivan Ben Yishai gegenüberstellen. Dann dreht sich alles um den Comic-Helden Popeye (der mit dem Spinat als Dopingmittel) und seine Freundin Olivia. Hingehen!

DK


Karten gibt es ausschließlich telefonisch unter (0841) 305 47 200, im Webshop unter www. theater. ingolstadt. de oder per E-Mail (theaterkasse@ingolstadt. de).

Anja Witzke