Nach
Ein Haarschnitt von Grace Kelly

10.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:49 Uhr

Foto: DK

Nach der Familiensaga um das Berliner Hotel "Adlon" beleuchtet das ZDF nun
ein weiteres Hotel der Luxusklasse. "Das Sacher" spannt den Bogen vom Fin de Siècle zu den Vorboten eines Weltkriegs - und erzählt Hotelgeschichten.

Wien (DK) Kaiser Franz Joseph und Elisabeth II. logierten hier, Grace Kelly, John F. Kennedy, Herbert von Karajan. John Lennon und Yoko Ono hielten hier eine ihrer legendären "Bagism"-Aktionen ab. Und Graham Green wurde hier zu seinem Film "Der dritte Mann" inspiriert. Das Hotel "Sacher", legendär und luxuriös, ist Wiener Original, Nationalheiligtum und zugleich eine internationale Marke. Und steht darüber hinaus für ein glanzvolles Stück österreichischer Geschichte. Am 16. und 18. Januar zeigt das ZDF den Zweiteiler "Das Sacher. In bester Gesellschaft" unter der Regie von Robert Dornhelm nach dem Buch von Rodica Doehnert - und in Starbesetzung. Dabei wird ein Bogen über knapp drei Jahrzehnte gespannt, die den Glanz und Untergang der Donaumonarchie widerspiegeln.

 

Herr Dornhelm, Sie sind Österreicher. Können Sie uns die Bedeutung des "Sacher" erklären?

Robert Dornhelm: Das "Sacher" ist eine Institution, die ich als Kind gemieden habe, weil sie mir zu steif und förmlich erschien. Als ich dann erwachsen wurde und mich ein bisschen besser in der Welt auskannte, stellte ich fest, dass es eigentlich ein Ort der Begegnung ist, wo sich Leute aus verschiedensten Schichten treffen - und getroffen haben. Denn hier fanden historische Ereignisse im Schutz der diskreten Chambres Separées statt.

 

Gibt es denn eine ganz persönliche Erinnerung an das "Sacher"?

Dornhelm: Die gibt es tatsächlich. Bis 1976 habe ich das Hotel gemieden. Es gab ja sogar Krawattenzwang. Und für mich als junger, linker Revolutionär war es überhaupt nicht interessant, sich so auszustaffieren, um in ein Restaurant zu gehen. Sogar Curd Jürgens wurde mal rausgeschmissen, weil er es wagte, ohne Sakko dort zu erscheinen. Aber 1976 feierte mein Oscar nominierter Film "Kinder der Theaterstraße" über die Kirow-Ballettschule in Wien Premiere. Und dazu reiste Grace Kelly an, die in dem Dokumentarfilm als Erzählerin agierte. Sie bewohnte die Präsidentensuite des Hotel "Sacher". Ich ging also dorthin, um sie mit einem Strauß Blumen zu begrüßen und sie hinterher zur Filmpremiere im Gartenbaukino zu begleiten. Wie es sich für die Zeit gehörte, hatte ich natürlich lange Haare. Aber weil sich Grace Kelly weigerte, mit so einem Langhaarigen ins Kino zu gehen, verpasste sie mir in der Präsidentensuite des "Sacher" eigenhändig einen Haarschnitt. Anschließend besuchten wir zusammen die Premiere.

 

Was hat Sie an diesem Filmprojekt gereizt?

Dornhelm: Das hat sich einfach ergeben. Wenn man ein Genre einmal erfolgreich bedient hat, bekommt man automatisch Anfragen von Produzenten. Zum einen habe ich vor ein paar Jahren hier in Wien einen Film über ziemlich die gleiche Zeit gemacht: "Kronprinz Rudolfs letzte Liebe" mit Max von Thun in der Titelrolle. Ich kannte mich also bereits aus in dieser Zeit. Und zum anderen habe ich für das ZDF in den 80er-Jahren eine Dokumentarserie über verschiedene Hotels der Welt gedreht: Geschichte und Geschichten im Hotel - etwa über das "Imperial" und das "Palais Schwarzenberg". Ich bin ja beruflich ständig unterwegs, übernachte oft in Hotels und habe schon eine Affinität dazu.

 

Warum sind wir von Hotels - oder von Luxushotels - so fasziniert?

Dornhelm: Vielleicht, weil dort so unterschiedliche Menschen absteigen. Als ich für meinen Dokumentarfilm recherchierte, war ich beispielsweise fasziniert davon, dass die englische Königin und Adolf Hitler im gleichen Bett geschlafen haben. Na ja, vermutlich wurde die Matratze ausgewechselt. Aber allein dass sie die gleichen Räumlichkeiten bewohnten, beflügelt unsere Fantasie. Ein Hotel ist wie eine große Bühne. Aber eine, die für uns zugänglich ist und die man - anders als im Theater - auch betreten kann. Wir kommen diesen Menschen aus den unterschiedlichsten Verhältnissen nah.

 

Ist die Geschichte über das Hotel "Sacher" fiktiv, oder gibt es auch reale Hintergründe?

Dornhelm: Es ist eine Mischung: Anna Sacher, die legendäre Hotelchefin, ist natürlich real und ihr Werdegang wird ziemlich genau nachgezeichnet. Die Gäste sind fiktiv, aber so, wie sie hätten sein können. Sie basieren auf Stereotypen der Zeit: der verfallende Adel, die k. u. k. Monarchie, deutsche Reisende. Und geht um Dinge, die in Hotels regelmäßig passieren: Bekanntschaften, Affären, Geheimnisse, Geschäfte - Interessantes eben.

 

Wie war der Dreh am Originalschauplatz?

Dornhelm: Schwierig, deshalb mussten wir einen Teil der Lobby im Studio nachbauen - 1:1 von den alten Plänen. Aber bestimmte Szenen wollte ich unbedingt am Originalschauplatz drehen - im Marmorsaal, im Restaurant, in der Bar. Die mussten dann für drei Tage gesperrt werden. Und es gibt ein paar Zimmer im "Sacher", die sich noch im Urzustand befinden. Dort haben wir auch gedreht. Übrigens haben wir die Leute vom Hotel eingeladen, sich unseren Studio-Nachbau anzusehen. Sie waren baff und wollten ein paar Dinge gleich haben - den Lüster etwa, überhaupt die Beleuchtung. Auch der Saal, den wir für unsere Silvesterfeier 1900 gestaltet hatten, hat ihnen sehr gefallen. Deshalb luden sie gleich unseren Bühnenbildner ein.
 

Was war denn die größte Herausforderung?

Dornhelm: Das Altern der Schauspieler. Denn die Geschichte beginnt 1892, als Hotelgründer Eduard Sacher stirbt, und endet 1919 mit der Ausrufung der Ersten Republik Österreich. Der Zeitraum umfasst also etwa 30 Jahre. Aber bei so einem Fernsehdreh hat man nicht die Zeit, die Schauspieler stundenlang in der Maske zu lassen. Der Tag hat zehn Arbeitsstunden, und wenn dann zwei Stunden allein für die Maske anfallen, geht das nicht. Ich glaube nicht an Prosthetics, das sind so künstliche, passgenaue Anfertigungen für Gesicht und Körper, die man aufklebt, damit man älter oder jünger aussieht. Dadurch ist aber die ganze Mimik beim Teufel, die Schauspieler sind nicht mehr sie selbst, sondern eher so eine Art Puppe. So einen Alterungsprozess von 30 Jahren mit anderen Mitteln zu zeigen ist deshalb vermutlich das Schwierigste bei so einer Produktion.

 

Die Geschichte spielt, Sie haben es gerade gesagt, um die Jahrhundertwende und bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Warum ist diese Zeit so spannend?

Dornhelm: Zum einen ist vieles zu Ende gegangen. Zum anderen hat eine neue Entwicklung begonnen. Keine 15 Jahre danach gab es Adolf Hitler. Es war ja nicht so, dass nach dem Ersten Weltkrieg wieder Ruhe eingekehrt ist. Es war der Beginn der nächsten Katastrophe. Aber die Menschen haben nichts daraus gelernt. Gerade auf unsere Zeit bezogen ist doch erschütternd, wie wenig wir aus der Geschichte lernen.

 

Die Fragen stellte Anja Witzke.

 

"Das Sacher": 16. und 18. Januar, jeweils um 20.15 Uhr, ZDF.

 

 

ZUR PERSON

Robert Dornhelm wurde 1947 im westrumänischen Timisoara im Banat geboren. Er emigrierte 1961 mit seiner Familie nach Österreich. Zunächst arbeitete er als Dokumentarfilmregisseur für den ORF. Sein Film "Kinder der Theaterstraße" brachte ihm eine Oscar-Nominierung ein. 2007 realisierte er mit einer Neuverfilmung von Leo Tolstois "Krieg und Frieden" sein bisher aufwendigstes Filmprojekt. Robert Dornhelm spricht sechs Sprachen und lebt in Los Angeles.