München
München-Trauma überwunden

Joachim Witt mit beeindruckender Performance im Backstage

13.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:13 Uhr
Auf "Rübezahl"-Tour: Joachim Witt sang in München natürlich auch seinen Hit "Goldener Reiter". −Foto: Foto: Buchenberger

München (DK) "Ich bin total befangen, weil das Backstage heute so voll ist", meint Joachim Witt früh bei seiner Münchner Show.

"Ich kann mich noch gut an das letzte Mal erinnern. Da waren gerade mal drei Reihen hier und davon die meisten Supporter und zwei Journalisten. " Heute ist die Halle an der S-Bahn-Station Hirschgarten trotz Stammstreckensperrung sehr gut besucht und dementsprechend blüht der 69-Jährige auf. Was man vom Opening Act Scarlet Dorn ob der etwas dünnen Stimme und seichtem Gothic Rock nicht wirklich behaupten kann. Auch eine Coverversion von "Dream On" von Aerosmith und ein Tourabschlusswitz der Band bringen nur bedingt Stimmung. Die Musiker singen ihrer Frontfrau kurzerhand ein Ständchen, obwohl diese gar nicht Geburtstag hat.

Kurz nach neun wird es dann ernst, als Witt mit mächtigem weißen Bart, einer Kapuze auf dem Kopf und einem knorrigen Stab in der Hand die Bühne betritt und mit Wucht, Würde und "Herr der Berge" seine Rückkehr nach München einläutet. Wie Zauberer Gandalf aus "Der Herr der Ringe", steht Witt vor einer dunklen Szenerie mit nackten Ästen im Hintergrund. Starke Präsenz, große Wirkung.

Zur zweiten Nummer "Ich will leben", ebenfalls vom aktuellen Album "Rübezahl", wird ihm der Mantel abgenommen, und der gebürtige Hamburger macht im barock anmutenden Gehrock pathetisch weiter. Aber auch sehr rockig. Die Band agiert stark, und immer wieder fühlt man sich an Rammstein erinnert. Witt und Co. begeistern das Publikum mit Nummern wie dem treibenden "Quo Vadis", dem romantischen "Mein Diamant" und dem doomigen "1000 Seelen". Die blendende Stimmung sorgt denn auch beim Frontmann für sichtlich gute und steigende Laune. "Eigentlich hatte ich gar keinen Bock heute, aber ihr macht mir Mut. " Auch er wird Opfer eines dieser beliebten Späße seitens seiner Crew am Ende einer Tournee. Anscheinend bekommt er über seine Ohrstöpsel wirre Ansagen eingespielt, über die er lautstark, wenn auch nicht ganz ernst gemeint schimpft. Abgesehen davon sind aber auch die eigenen Ansagen des Neue-Deutsche-Welle-Pioniers und späteren Neue-Deutsche- Härte-Wegweisers Witt nicht immer ganz einfach und leicht zu verstehen.

Mit dem ergreifenden epischen Stück "Wiedersehen woanders" mit massiven Streicherklängen vom Keyboard gehen Künstler & Co ab. Als Zugaben dann "Liebe und Zorn", "Das geht tief" und das von vielen sehnlich erwartete "Die Flut". Alles Titel vom 1998er-Erfolgsalbum "Bayreuth 1", das Witt wieder auf die Bildfläche brachte und den für ihn heute typischen Pathos-Rock definierte. "Die Flut" performt er auf einem Hocker sitzend, aber nicht minder intensiv. Natürlich darf die Witt- und NDW-Trademark-Nummer "Goldener Reiter" aus dem Jahr 1981 nicht fehlen. Textsicher und begeistert legen die Fans vor, bevor die Band einsteigt. Zum Finale nach fast zwei Stunden mit dem ebenfalls aus den 80ern stammenden "Strenges Mädchen" öffnet Witt, jetzt nur noch im schwarzen Hemd, das bis dahin streng zusammengebundene schlohweiße Haar und gibt noch mal alles. Mit "München, es hat mir sehr gefallen. Wir sehen uns wieder" bedankt sich der Pop- und Rock-Grandseigneur ein letztes Mal. Das München-Trauma ist überwunden.

Martin Buchenberger