München
Mordorgien der Psychopathen

Michael Thalheimer inszeniert Shakespeares "Richard III." im Münchner Residenztheater

11.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:05 Uhr

Bilderbogen aus Englands dunkler Zeit: Graf von Richmond (Philip Dechamps) greift Richard III. (Norman Hacker) an. Das Ende des skrupellosen Königs naht. Regisseur Michael Thalheimer inszeniert Shakespeares Werk als Historiendrama, nicht als überzeitliche Parabel. - Foto: Horn

München (DK) Schwarz sind die Kostüme (von Michaela Barth), düster ist das Licht (eingerichtet von Tobias Löffler), schwer dräuend die Musik (von Bert Wrede) und auf der mit schwarzen Brettern bis zum Schnürboden klaustrophobisch vernagelten Bühne (von Olaf Altmann) breitet sich eine Geröllhalde als Symbol der totalen Zerstörung von Landschaft und Seelen aus.

Es ist Krieg im England des 15. Jahrhunderts zwischen den Königshäusern York und Lancaster. Brutal und selbstzerstörerisch auf beiden Seiten, bis die Tudors den Thron besteigen und nach diesen Rosenkriegen die Friedenszeit anbricht.

Bis es freilich so weit ist, haben bei beiden Familien die Psychopathen das Sagen: Intrigen, Mord und Totschlag schier ohne Ende. Doch keine überzeitliche Parabel, gar mit aktuellen Bezügen, über die Verrohung der Gesellschaft und die Machtgier kaputter Typen, sondern ein Historiendrama hat der Regisseur Michael Thalheimer mit diesem Stück aus Shakespeares "York-Trilogie" vom Jahre 1592/93 inszeniert. Eine Aufführung für das Bildungsbürgertum, die Klientel des Münchner Residenztheaters, was ja durchaus angemessen und richtig ist. Aber allzu viel Dramatik mit historischem Hintergrund ließ der Regisseur hier vom Stapel: Restlos psychisch Gestörte und Geschundene sind sie alle, die stets mit weit aufgerissenen Augen und ausladenden Gesten brüllend, schreiend und tobend ein Gruselkabinett verkörpern. Hochdramatisch ist das alles und doch ein bisschen zu viel.

Kein Wunder, dass bei diesem zweieinhalbstündigen Hyperrealismus all die "Morde aus Staatsräson" nicht besonders berühren, da sie hier in erster Linie als Reminiszenzen an die blutige englische Geschichte am Ende des Mittelalters gezeigt werden, obwohl die Schauspielerinnen und Schauspieler es an packender, fesselnder Darstellung nicht fehlen lassen. Allen voran Norman Hacker, der als missgebildeter, hässlicher, skrupelloser und vom Ehrgeiz schier zerfressener Paranoider mit nacktem Oberkörper, schulterlangen, strähnigen Haaren und rot geränderten Augen über die Geröllhalde hinkt, rast und wütet. Ein ständig neue Mordpläne ausheckender Herzog von Gloster ist er, der als König Richard III. Englands Thron besteigt, um am Höhepunkt seiner brutalen Machtausübung von Heinrich Tudor, Graf von Richmond, erwürgt und erstochen zu werden.

Speichellecker und willfährige Mordgehilfen hat Richard genug um sich: den Herzog von Buckingham beispielsweise (Thomas Schmauser, der - wie Anna Drexler als Lady Anne - von den Münchner Kammerspielen zum Residenztheater wechselte) oder König Edward (Götz Schulte), der als Richards Bruder mit dem Blut der Getöteten sich stärkt, und den Oberschurken Catesby (Marcel Heuperman), der mit einer roten Plastiktüte vier von Richards Rivalen erstickt. Und klar, dass in diesem reichlich ausufernden Abschlachten die Königinnen und die anderen Witwen der Erdolchten und Erdrosselten (Hanna Scheibe, Sibylle Canonica, Charlotte Schwab und Anna Drexler) als Rachefurien, Traumatisierte und lebende Tote über den Trümmerschutt humpeln und staksen. Ein wuchtiger, aber in seiner Overkill-Dramatik auch irritierender historischer Bilderbogen aus Englands dunkler Zeit. Das Premierenpublikum im Münchner Residenztheater reagierte darauf mit freundlichem, aber keineswegs überschwänglichem Schlussapplaus für alle Beteiligten.

Die nächsten Aufführungen sind am 17. und 18. Dezember sowie am 7., 8., 30. und 31. Januar. Infos unter www.residenztheater.de" class="more"%>.