Ingolstadt
Mit Krallen und Samthandschuhen

Großer Applaus: Das Trio con Brio Copenhagen spielt für den Ingolstädter Konzertverein

24.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:45 Uhr
Jörg Handstein
Begeisterter Applaus für den dänischen Pianisten Jens Elvekjaer und die koreanischen Schwestern Soo-Jin und Soo-Kyung Hong. −Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Zu Joseph Haydns Zeiten war das Klaviertrio mehr ein Modeartikel für gesellige Amateure als eine anspruchsvolle Gattung: Da konnte die Dame des Hauses am Klavier glänzen, und zwei Herren mit Streichinstrumenten (die für Frauen noch nicht schicklich waren) durften auch mitspielen, mussten sich aber dezent im Hintergrund halten.

Ja, eigentlich waren die Herren, da nur begleitend tätig, auch entbehrlich.

Diese vom Gender-Standpunkt bedenkliche Randstellung überwanden erst die großen Komponisten (Männer! ), die das kammermusikalische Potential der Gattung voll ausschöpfen wollten. Höchst eindrucksvoll führte das Trio con Brio Copenhagen nun im Festsaal vor, was für großartige, ja einzigartige Werke dabei herauskamen. Und an der Besetzung der Instrumente zeigt das Ensemble auch, welche Fortschritte die Emanzipation inzwischen gemacht hat.

In Haydns spätem Trio in E-Dur Nr. 28 dominiert der Herr am Flügel das Geschehen, und Jens Elvakjaer kann sofort seinen grandiosen Klangsinn ausspielen. Behutsam, wie mit Samthandschuhen fasst er das schlichte Liedthema an, als ob es sich um etwas unsagbar Wertvolles handelt. Um so munterer fällt sodann das eigentliche Allegro-Thema ein, wodurch Haydns geradezu experimentelle Kontrastierung in ihrer ganzen Besonderheit erlebbar wird. Damit wird nicht einfach nur piano und forte gespielt, sondern verschiedene Räume von Musik eröffnet. Auch die beiden Damen (Soo-Jin Hong, Violine; Soo-Kyung, Cello) tragen viel an verschiedenen Klang- und Ausdruckscharakteren bei, spritzig und fahl, herb und blühend je nach Bedarf, so dass das Werk über das pathetisch-empfindsame Allegretto bis zum lustig plaudernden Finale in allen Facetten glänzt und doch auch in die Tiefe geht. Da merkt man erst, wie viel der scheinbar altbekannte Papa Haydn noch drauf hat!

Eine Glanznummer für Spitzentrios ist seit ehedem das hoch virtuose und hoch artifizielle Klaviertrio von Maurice Ravel. Mit dem Trio con Brio kann man es noch mal neu entdecken. Technisch atemberaubend präzis und transparent, in den schwierigsten Passagen ohne spürbare Mühe, öffnet es sich wie eine geheimnisvolle, ferne, exotische, verstörende und bestrickende Wunderwelt.

Es ist, als ob die besonderen Farben dieses Trios von der natürlichen Sonne beschienen werden, in voller Lux-Stärke. Kristalline Konturen treten hervor, ja all die Linien, Akkorde und satztechnischen Muster erscheinen wie ein wundersam diaphanes Gebilde aus Glas, in dem sich das Licht auf tausendfältige Weise bricht. Schade, dass gerade dort, wo die Klänge zu zartesten Gespinsten verwehen, der Zauber durch Husten zerrissen wird. Aber das rhythmisch furiose "Pantoum", in dem die Streicher auch mal wie malaiische Tiger ihre Krallen ausfahren, überwältigt aufs Neue. Noch die verhakelsten Rhythmen und Kombinationen wirken nicht einstudiert, sondern wie Bewegungen in der Natur, spontan und selbstverständlich. Das Finale schließlich ein Tanz unter der Glorie des Mittags, flirrend und gleißend im Licht, leuchtend noch in Schrecken und Abgründen.

Demgegenüber macht sich Beethovens berühmtes "Erzherzog-Rudolph-Trio" eher gemütlich auf den langen Weg, ja so wienerisch wie sonst nur Schubert, so weich und delikat mundend wie ein besonders schokoladiger Mohr im Hemd. Aber auch hier, wie schon bei Haydn, nur im ganz Großen, setzt das Ensemble auf ein enormes Spektrum von Kontrasten, zwischen Zartheit und Härte, zwischen Heiterkeit und existenzieller Dringlichkeit.

So sieht man im Scherzo das volkstümliche Tanzpärchen förmlich vor sich, während das chromatisch-fahle Trio ein ganz untergründige Empfindung auslöst. Die Abgründe und Geheimnisse im beglückend dahinströmenden Andante cantabile zeigen sich deutlich. Selbst im Finale, fröhlich wie zum Heurigen marschierend, wird noch nach Tiefen gelotet. Dann, in der Zugabe aus Dvoraks "Dumky-Trio" noch einmal himmelsklare Schönheit. Diesen Klang, diese Subtilität, diese warme Perfektion macht dem Trio con Brio derzeit keine andere Formation nach. Großer Applaus für einen großen Abend im Konzertverein.

Jörg Handstein