Ingolstadt
"Meine Kunst kann sehr laut und schmerzhaft sein"

Der Ingolstädter David Rimsky-Korsakow über seine Sinfonie, die beim Futurologischen Kongresses uraufgeführt wird

10.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:16 Uhr
David Rimsky-Korsakows erste Sinfonie wird am Donnerstag, 19.30 Uhr, im Rahmen des "Futurologischen Coctails" im Großen Haus des Stadttheaters Ingolstadt uraufgeführt. −Foto: Foto: privat

Ingolstadt (DK) Der Futurologische Kongress des Stadttheaters Ingolstadt, der am kommenden Donnerstagabend im Großen Haus beginnt, startet gleich mit einer Uraufführung: Der Ingolstädter Komponist David Rimsky-Korsakow präsentiert seine erste Sinfonie (die er in Zusammenarbeit mit Takako Ono realisierte), es spielen Musiker des Georgischen Kammerorchesters.

Rimsky-Korsakow (Jahrgang 1988) ist ein alter Bekannter in der Region. Er trat mit seiner Band Adore Me Not auf und arbeitete am Stadttheater Ingolstadt. Nach dem Abitur studierte er Deutsche Philologie in Regensburg. 2013 folgte ein Engagement als Regieassistent am Staatstheater Nürnberg, wo er auch erste Regie- und Kompositionsarbeiten realisierte. Seit Oktober 2015 ist er Student der Elektronischen Komposition an der Folkwang Universität der Künste Essen. Nebenbei entwirft er Kompositionen zu Regiearbeiten an verschiedenen Theatern.

Herr Rimsky-Korsakow, Sie sind verwandt mit dem großen russischen Komponisten, der den gleichen Namen trägt. Ist das eine Belastung für Ihre Arbeit oder ein Vorteil?

David Rimsky-Korsakow: Weder noch. Ich habe mich davon emanzipiert. Eine gute Gelegenheit für einen Smalltalk und es befähigt mich auf eine komische Art und Weise, mit seinem Material umzugehen. Ich plane zum Beispiel ein Konzeptalbum, in dem sich jedes Stück auf eine seiner Opern bezieht. Ansonsten hat er mit meiner Arbeit nichts zu tun.

In Ingolstadt präsentieren Sie Ihre erste Sinfonie. Bisher haben Sie fast ausschließlich Theatermusik komponiert. Ist das eine andere Herausforderung?

Rimsky-Korsakow: Es ist signifikant anders. Ich habe das beim Komponieren zunächst unterschätzt. Bei der Theatermusik kann ich mich auf die Bildsprache des Regisseurs beziehen, lasse den Schauspielern Raum. Das ist bei einem Sinfoniekonzert natürlich nicht der Fall. Und da ich auf Videoprojektion oder Ähnliches verzichte, muss die Musik allein den Raum füllen. Sie muss die volle Arbeit leisten, im Zuhörer einen Prozess in Gang zu setzen und Bilder zu schaffen.

Werden Sie gar keine theatralen Elemente in Ihre erste Sinfonie einbauen?

Rimsky-Korsakow: Ich habe erst überlegt, mit Texten zu arbeiten. Aber ich mag keine Hybride in der Kunst. Man muss sich entscheiden. Es geht hier nur um Musik. Wem das nicht reicht, soll den Musikern beim Spielen zusehen, da gibt es genug Theatralität zu erleben.

Die Sinfonie hat aber einen sprechenden Titel: "Sinfonie der Sperlinge".

Rimsky-Korsakow: Die Sinfonie hat kein Narrativ von Vögeln. Ich möchte auf keinen Fall, dass das Publikum irgendwelche Violineinsätze mit Vogelstimmen assoziiert. Das finde ich furchtbar. Der Begriff der Sperlinge ist hier eher ein philosophischer. Sperlinge sind hier Mikroorganismen, die geschäftig ihrer Arbeit nachgehen. Sie formen und verdichten sich, um etwas großes Ganzes zu organisieren. Es geht um den Ursprung allen Lebens. Dann kommen sie in Schwärmen zusammen, verdecken die Sonne, sind bedrohlich und zerstörerisch, picken den Menschen von diesem Planeten. Eine Schwarm-entität, die gibt - und nimmt.

Ihre Sinfonie verwendet Live-Elektronik. Was versteht Sie darunter?

Rimsky-Korsakow: Ich agiere als achter Musiker mit einem Computer auf der Bühne, neben den sieben klassischen Streichern. Ich bin das einzige digitale Instrument, bringe das Artifizielle, das Kalte in die Komposition.

Erschwert das die Arbeit der analogen Musiker?

Rimsky-Korsakow: Technisch ist das auf jeden Fall schwerer, ein Computer ist ja im Spiel unflexibel. Man kann ihm nicht in die Augen gucken und Zeichen geben. Deshalb kommt es auf eine ganz besondere Art der Kommunikation zwischen mir, den Musikern und der Maschine an. Aber wir haben ja drei Proben.

Was hat all das mit dem Futurologischen Kongress zu tun?

Rimsky-Korsakow: Es ist auf keinen Fall ein politischer oder gesellschaftlicher Diskurs, den ich mit der Sinfonie eröffnen möchte. Es ist ein kleines Kunstwerk, ein Stück Musik eben. Es passt in diesen Rahmen, weil es bei dem Kongress um Interdisziplinarität geht, bei dem Kunst und Wissenschaft interagieren, ebenso wie Vergangenheit und Zukunft. Es ist eine Interaktion und Reibung zwischen einer Institution, die in Ingolstadt bisher als sehr analog wahrgenommen wird, dem Georgischen Kammerorchester, und jemandem wie mir, der mit neuen Technologien arbeitet.

Sind Sie ein Neuerer?

Rimsky-Korsakow: Ja. Das ist aber keine bewusste Entscheidung. Ich mache nur das, was ich mache und was ich kann. Wenn ich auf meine Einflüsse gucke, dann sind das ausschließlich Künstler aus dem 20. Jahrhundert, wie der Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch oder Komponisten wie Luigi Russolo oder Schostakowitsch. Ich würde das gar nicht unter einem temporalen Aspekt betrachten: Mich interessiert mehr, welche Motive und Themen diese Leute angetrieben hat - egal, wann das war.

Haben Sie eine gewisse Lust am Skandal?

Rimsky-Korsakow: Nicht unbedingt. Aber viele Elemente in meiner Kunst tun auch weh und können auch sehr laut und schmerzhaft sein. Das liegt daran, dass ich mich schon immer auch für das Abseitige interessiert habe. Manchmal sympathisiert man ja in einer Geschichte nicht mit dem Helden, sondern mit dem Antagonisten. Ich fand den Wolf immer toller als das Rotkäppchen. Diese Art von Figuren leiden. Sie wollen die Welt so verändern, damit sie darin leben können. Das ist spannend. Es geht nicht unbedingt um eine Obsession für Brutalität oder Verfall. Man stellt einfach die Dinge so dar, wie sie sind. Schmerz, Blut, Einsamkeit, Tod - all das gehört genauso zum Leben wie Glück, Liebe und Freundschaft. Es ist eine künstlerische Aufgabe, das zu illustrieren, diese Dialektik erlebbar zu machen: den Stimmlosen eine Stimme zu geben. Keine Moralkeule zu schwingen, sondern das Leben zu zeigen, wie es ist: Manchmal unterträglich, manchmal schön.

Sie haben sich mit verschiedenen Dingen in Ihrem Leben beschäftigt, auch mit Regie und Journalismus. Welche Stellung nimmt die Musik bei Ihnen ein?

Rimsky-Korsakow: Die Musik nimmt die größte Stellung ein. Aus dem Kram einen Beruf zu machen, ist das Wertvollste, was ich bisher erreicht habe. Es erfüllt mich mit purer Freude und frisst mich zugleich von innen auf. Es führt mich an die tiefsten Abgründe und lässt mich am nächsten Tag wieder auf die höchsten Berge steigen.

Das Interview führte

Jesko Schulze-Reimpell.