Markt der Täuschungen

09.01.2008 | Stand 03.12.2020, 6:13 Uhr

Er war Hilfsbootsbauer, Bimmeljunge, Heizer und Preisboxer. Als König der Kunstfälscher wurde Edgar Mrugalla berühmt. Ende der 80er Jahre saß er deshalb im Gefängnis. Inzwischen stellt er seine Werke in ganz Europa aus. - Foto: dpa-Archiv

Wien (DK) Kunst weckt Begehrlichkeiten. Seit jeher. Und lockt nicht nur Liebhaber an, sondern auch Geschäftemacher. Und Gauner. "Wa(h)re Lügen" heißt eine Ausstellung im Picasso-Museum in Münster, die derzeit eine Auswahl spektakulärer Kunstfälschungen von Dalí, Miró oder Picasso zeigt und dabei Original und Fälschung im Dialog präsentiert.

Vis-á-vis des Hundertwasser-Hauses in der Löwengasse ist das Fälschermuseum beheimatet, das einzige seiner Art im deutschsprachigen Raum. Hier findet man vielleicht einen echten Matisse und garantiert Kopien oder Identfälschungen von Jan Vermeer, Gustav Klimt oder Rembrandt van Rijn aus der Hand von berüchtigten Kunstfälschern wie Han van Meegeren, Konrad Kujau oder Edgar Mrugalla. Wer will, kann im Museumsshop – ganz legal – sogar ein Gemälde im Stil alter Meister in Auftrag geben.

Kuriose Geschichten

Am spannendsten aber ist es, wenn man sich mit Diane Grobe im Untergeschoss des kleinen Museums trifft, mit ihr in die Abgründe verbrecherischen Kunstschaffens taucht, sich an skurrilen Fälschergeschichten delektiert, über Schein und Sein philosophiert oder sich von ihrer Schnäppchenjagd im Internet berichten lässt. Denn gesammelt wird hier "nach Kontostand". Das Museum erhält keinerlei Subventionen. Und weil es der Hausherrin in erster Linie um die kuriosen Geschichten geht, die mit jedem einzelnen Exponat verbunden sind, soll die falsche Ware, nach der sie fürs Museum fahndet, natürlich auch Erzählstoff bieten. Etwa 70 Werke präsentiert das Museum mit ausführlicher Legende, so dass sich der Besucher auch auf eigene Faust auf Spurensuche zwischen Kunstgeschichte und Kriminalstatistik begeben kann. Im November 2005 hat Diane Grobe mit ihrem Mann, dem Architekten Christian Rastner, das Museum eröffnet.

Am liebsten beginnt Diane Grobe diesen Streifzug im Jahr 1490, als nämlich der junge Michelangelo selbst zum Betrüger wurde. Ein Malschüler war er damals noch – und sollte ein Porträt nachzeichnen. Die Arbeit gelang so vortrefflich, dass er die Kopie zurückgab und das Original behielt. Niemand soll den Schwindel bemerkt haben – bis er sich selbst verplapperte.

"Gefälscht wird fast alles, was am Markt hohe Preise erzielt", weiß Diane Grobe. Anfang des letzten Jahrhunderts setzt sie den Zeitpunkt an, an dem das Fälschen und der Handel mit gefälschten Bildern zu florieren begann. "Der Kunstmarkt wuchs, die Nachfrage stieg exorbitant. Gefälscht wurden vor allem Werke aus der zweiten Liga – denn da schaute keiner so genau hin", erklärt sie. Natürlich geht es in erster Linie ums Geld, aber auch um Eitelkeiten, den Ruch des Rätselhaften. Und das Internet bietet heute einen weltweiten unübersichtlichen und undurchsichtigen Marktplatz für alle möglichen Offerten und Transaktionen. Die Grauzone zwischen Raffinesse und Dummheit, Sammelwut, Wertsteigerungsfantasien und Betrug ist groß. Und bisweilen bleiben Geschichten ungeklärt.

Etwa die, ob die zarte Kohlezeichnung, die das Museum vor etwa einem Jahr für 120 Euro als Fälschung erworben hat, nicht vielleicht doch von der Hand Matisses stammt. "Wir haben es verschiedenen Auktionshäusern vorgelegt, es Experten gezeigt – es wäre als Original durchgegangen", erklärt Diane Grobe. "Es ist traumhaft schön. Und auf jeden Fall hat die Zeichnung jemand gemacht, der Ahnung davon hatte."

Andere im Kabinett der Fälscher kennt sie genau: Han van Meegeren (1889–1947) etwa, der sich selbst als verkanntes Genie betrachtete und die Kunstkritik vorführen wollte. Er studierte sehr gewissenhaft die Biografien und Malweisen der alten Meister, benutzte für seine Fälschungen Ölgemälde aus dem 17. Jahrhundert, alte Farb- pigmente, echte Dachshaarpinsel – und jubelte sogar Hermann Göring einen falschen Vermeer unter.

Fast schon Kultstatus erlangte der Brite Tom Keating (1917–1984), der mit eigenen Werken auf dem Kunstmarkt nicht reüssieren konnte und mit Leidenschaft Gemälde restaurierte. Er ließ sich Kataloge der Auktionshäuser kommen – und ahmte den Stil der Künstler nach. Da er seine Fälschungen doch irgendwann entdeckt wissen wollte, versteckte er "Bomben" in seinen Werken, trug z. B. Glycerin unter die Farbschicht auf, so dass eine Reinigung das ganze Bild zerstören würde. Er fügte wissentlich Fehler hinzu oder schrieb schlicht das Wort "fake" auf die Leinwand, bevor er zu malen begann. Röntgenstrahlen würden so etwas an den Tag bringen. "Unser Zahnarzt hat uns sogar angeboten, sein Röntgengerät zu benutzen", sagt Diane Grobe. Aber noch habe sie dieses Angebot nicht in Anspruch genommen. Dafür hat sie für sechs Pfund im Internet einen falschen Tom Keating ersteigert. Der nun neben dem "echten" präsentiert wird.

König der Kunstfälscher

Als einer der größten Kunstfälscher der Nachkriegsgeschichte gilt Edgar Mrugalla (*1938 in Berlin), dem sogar eine Expertin des Louvre bei seinem Prozess wegen Urheberrechtsverletzung und Beihilfe zum Betrug Genialität bescheinigte. Heute belegt ein Stempel, dass ein Werk aus der "Fälscherwerkstatt Mrugalla" stammt. Er hat dem Wiener Museum eine ganze Mappe "seiner" Rembrandt-Radierungen überlassen. "Weil er die Idee so toll fand."

Natürlich hängt hier auch ein Konrad Kujau (1938–2000), der mit seinen gefälschten Hitler-Tagebüchern zu zweifelhaftem Ruhm gelangte. "Wir wollten unbedingt einen Kujau für das Fälschermuseum haben", erklärt Diane Grobe und lacht. Denn witzigerweise entpuppte sich das Werk als gefälschte Fälschung.

Und was hängt bei Diane Grobe zu Hause? Sie grinst. "Lauter Originale." Dann korrigiert sie sich: "Nein. Eine Kopie ist auch darunter. Die hat mein Mann angefertigt, weil ich bei der Auktion das Bild nicht bekommen konnte. Eine impressionistische Ansicht von Venedig." Die beiden haben sich übrigens übers Internet kennen gelernt. Sie suchte einen Mann, der liest, Pflanzen mag und sich für Kunst interessierte, er suchte eine Freundin für einen Freund. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.