München
Mädelsabend in der Schulschwimmhalle

Leonie Böhms "Die Räuberinnen" als Flop in den Kammerspielen

25.11.2019 | Stand 02.12.2020, 12:32 Uhr
Theater wie beim Kindergeburtstag: Szene aus "Die Räuberinnen" an den Münchner Kammerspielen. −Foto: Buss

München (DK) Nein, mit Friedrich Schillers 1782 in Mannheim uraufgeführtem Sturm-und-Drang-Drama "Die Räuber" hat dieses Stück herzlich wenig zu tun.

Zwar sind einige Zitate von Karl Moors Aufbegehren gegen das "tintenklecksende Säkulum" und Verbalattacken gegen den Absolutismus der freiheitsliebenden Räuberbande in den böhmischen Wäldern sinn- und zusammenhanglos in diese Aufführung eingestreut, aber die Titel gebenden Räuberinnen haben in diesem Theaterstück keinen Sturm und Drang im Sinn, sondern sind ausschließlich auf platte Unterhaltung getrimmt: Fünf Mädels, Mitglieder einer Theatergruppe, wollen ihre wenig bis gar nicht ausgeprägten schauspielerischen Fähigkeiten und Talente einmal auf der Bühne im Turnsaal und in der Schwimmhalle ihrer Schule ausprobieren. Sie erträumen sich dabei den ganz großen Sprung von der AG Dramatisches Gestalten zum Glamour-Showbusiness.

Szenen über ihre Lebens- und Erfahrungswelt werden hier mit viel Fleiß und Schweiß einstudiert: Sie träumen und singen von Liebe und Glück, von Geborgenheit und Frieden auf dieser Welt, und sie betrauern ihre Einsamkeit, ihre Enttäuschungen und den Egoismus nicht nur ihrer Freundinnen und Freunde, sondern auch in der Gesellschaft. Sie tanzen, flirten und lieben sich, sie streiten und versöhnen sich wieder: Der ganze Kosmos der Gefühle, Gedanken und Empfindungen von Mädchen und jungen Frauen, die die Pubertät vor kurzem erst hinter sich gelassen haben.

Das alles wäre ja eigentlich ein prima Thema für ein ernsthaftes Theaterstück. Doch Autorin und Regisseurin Leonie Böhm packt all diese Probleme in eine fürchterlich läppische Comedy. Trivialer und banaler geht's eigentlich kaum noch. Da dürfen Gro Swantje Kohlhof, Sophie Kraus, Eva Löbau und Julia Riedler flache Witze über einen Spießervater mit erbetener Zustimmung des Publikums reißen und Songs vom naiven Schnulzenkaliber wie "Nimm mich wahr, nimm mein Herz" vom Stapel lassen. Da werden die Zuschauerinnen und Zuschauer wie in drittklassigen TV-Unterhaltungsshows dazu aufgefordert, müde Kalauer zu beklatschen, mitzusingen und zu ach so klugen Statements Kommentare abzugeben.

Geradezu lächerlich ist's, wenn die vier Schauspielerinnen wie beim Kindergeburtstag über die Bühne springen, hüpfen, tanzen und Ringelpietz mit Anfassen als überdrehte Gaudi absolvieren, um dann über die reichlich eingewässerte Bühne kreischend in die imaginären Fluten sich zu stürzen und dabei bis in die ersten Zuschauerreihen zu schlittern. Wenigstens erneuern sie hierbei halbnackt und tropfnass den Revoluzzerschwur von Karl Moors auf Umsturz sinnende Gefolgschaft. Aber absolut peinlich wird's gar, wenn diese vier Pseudo-Räuberinnen - ohne jeglichen Bezug zum Titel dieses reichlich banalen und überflüssigen Stückes - zu Friederike Ernsts Synthesizer-Stakkato splitternackt und unter dem Juchzen eines Großteils des Premierenpublikums ihre Brüste reiben und zum Rhythmus der Musik an ihren Brustwarzen zerren und zupfen.

Eine Aufführung als Hohn auf ambitioniertes Schultheater und ein weiterer Abstieg der einst so renommierten Münchner Kammerspiele zur intellektuell abstinenten Eventbude. Ein Trauerspiel in Folge.

ZUM STÜCK
Theater: Kammerspiele
Regie: Leonie Böhm
Bühne: Zahava Rodrigo
Kostüme:
Mascha Mihoa Bischoff
Musik: Friederike Ernst
Dauer: 1 Stunde, 20 Minuten
Nächste Vorstellungen:
29. November, 4., 11., 16.,
18. und 26. Dezember
Kartentelefon:
(089) 233966 00