Ingolstadt
Liebeserklärung an die Heimat

D'Raith-Schwestern und der Blaimer begeistern mit Volksliedern und Sagen auf dem Parkdeck des Nordbahnhofs in Ingolstadt

16.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:25 Uhr
"Wissts wou mei Heimat ist?" heißt das neue Programm von den Raith-Schwestern Tanja und Susi, das sie auf dem Pardeck des Nordbahnhofs in Ingolstadt zum Besten gaben. −Foto: Foto: Weinretter

Ingolstadt (DK) Heimat.

Ist das ein Haus? Ein Ort? Ein Land? Eine Gegend oder ein Viertel? Für die einen sind es vielleicht ein paar Straßenzüge. Oder der Tante-Emma-Laden um die Ecke. Für die anderen ist es das Dorf, aus dem sie kommen. Oder ist es vielleicht gar kein Ort mehr, sondern nur noch ein Gefühl, das einen auf dem Lebensweg begleitet? Etwas Subjektives, fast Intimes, das nicht greifbar ist? Dostojewski befand: Ohne Heimat sein, heißt leiden. Doch wer weiß heute noch genau, wohin er gehört - im Zeitalter von Mobilität und Entwurzelung?

Heimat, diesem Begriff, diesem Gefühl widmen sich die Raith-Schwestern in ihrem anrührenden Bühnenprogramm "Wissts wou mei Hoamat is", das sie zusammen mit Andi Blaimer und Robert Bischoff auf dem Parkdeck des Ingolstädter Nordbahnhofs dem Publikum präsentieren. Dabei wird schnell klar: Die Raith-Schwestern wissen genau, wo ihr zu Hause ist. Ihre Wurzeln haben sie tief im Boden Ostbayerns.

Eine der Eigentümlichkeiten von Heimatgefühlen besteht darin, dass sie viel mit Erinnerungen an die Kindheit zu tun haben. So auch bei den Raith-Schwestern. Die alten Oberpfälzer Lieder, die sie auf dem Parkdeck spielen, haben die beiden schon mit ihrer Mama zusammen gesungen, als sie noch klein waren. Apropos Mama: Die hat für das neue Programm eine wichtige Rolle gespielt. Alle Lieder haben Tanja und Susi Raith mit ihrer Mutter ausgesucht. Deshalb kündigen die Schwestern schon zu Beginn auf der Bühne über den Dächern von Ingolstadt an: "Unsere Mama ist die Zentrale, die dritte Stimme am heutigen Abend. " Das Publikum kennt Tanja und Susi Raith vor allem als singende, kracherte Schwestern mit derbem Humor. Mit ihrer neuen Show zeigen die Frauen aus der Oberpfalz eine andere Seite von sich - ihre staade Seite. Dass die Zuschauer nicht mit einem lustig-bissigen Kabarettprogramm rechnen dürfen, stellt Tanja Raith schon zu Beginn klar: "Heit wird es net lustig. "

Auf dem Parkdeck im fünften Stock geht es leise, ruhig und beschaulich zu. Es ist ein Abend zum Nachdenken, Runterfahren und Entschleunigen. Die jahrhundertealten Volkslieder bringen einen - auch wenn es als Oberbayer manchmal ziemlich schwer ist, die Texte zu verstehen - zum Nachsinnen, was für einen selbst Heimat eigentlich bedeutet und katapultieren einen zurück in die eigene Kindheit, als einen die Mama im Bett in den Schlaf gesungen hat. Angelegt ist das, nach dem Lied "Wissts Wou Mei Hoamat Is" betitelte Programm als eine Reise durch die vier Jahreszeiten.

So beginnt das Quartett "Im Fruahjahr, Wann De Vögerl Wieder Singa" und endet mit "Da Summa Is Umma" und "Etz Is Halt Winter Worn". Steyrische, Gitarre, Hackbrett, Kontrabass und Tuba bilden das musikalische Fundament für die außergewöhnlichen, kräftigen Stimmen von Tanja und Susi, die seit über drei Jahrzehnten ihr Publikum mit ihrem Zweigesang begeistern.

In den Liedern geht es meistens um den Überlebenskampf des einfachen Volkes. Es ist ein ganz besonderer Menschenschlag, den die Liedern widerspiegeln, einer, der sein Leben zum großen Teil in Armut in der kargen, kalten, aber magischen Landschaft in der Gegend des Bayerischen Waldes verbrachte. "Wenn ich die Lieder höre, denke ich immer dran, wie gut es uns heutzutage geht", sagt Tanja Raith und blickt nachdenklich ins Publikum.

Zwischen den Liedern liest Andi Blaimer, der Partner von Tanja Raith, immer wieder lustige, bisweilen makabere alte Oberpfälzer Sagen vor, die stimmungsvoll mit Geräuschen und Musik ausgeschmückt werden.

Lange haben die Raith-Schwestern überlegt, ob sie den jahrhundertealten Liedern neues Leben einhauchen sollen, indem sie sie moderner gestalten. Darauf haben sie aber bewusst verzichtet. Das haben diese wunderbaren Lieder, die die Zeit überdauert haben, auch gar nicht nötig. Sie sind so wie sie eben sind: bodenständig, einfach, ehrlich und natürlich schön - Heimat eben.

Xenia Schmeizl