"Ich mag Laberhaufen aus Hopfenresten"

Andreas Martin Hofmeir und sein ganz besonderes Verhältnis zur Holledau

09.09.2019 | Stand 02.12.2020, 13:06 Uhr
Tubist, Kabarettist, Professor, Turmschreiber: Andreas Martin Hofmeir. −Foto: Philippe Gerlach

Er ist ein Tausendsassa: Andreas Martin Hofmeir ist Tubist, er spielt klassische Solokonzerte und ist mit LaBrassBanda durch die größten Hallen getourt. Er hat Kabarettprogramme geschrieben, sich eine Professur am Mozarteum Salzburg und den Echo Klassik geschnappt. Und: Er hat mit "Wer dablost's?" eine eigene Kleinkunstshow. Sein ganz besonderes Verhältnis zur Holledau beschreibt er in dieser Folge unserer Serie "Liebeserklärungen".

Ingolstadt (DK) Dieser Text wird eine echte Aufgabe. Denn er ist sozusagen die Büchse des Kolumbus und das Ei der Pandora gleichermaßen. Meine Liebeserklärung geht nämlich an die Holledau. Und zwar weil ich dort aufgewachsen und vor allem weil ich vor drei Tagen mal wieder dort durchgefahren bin. Mitten in der Hopfenernte. Extra langsam bin ich hinter dem Anhänger mit dem frisch runtergerissenen Hopfen hergefahren, alle Fenster auf, schnaufend wie ein Alkoholiker auf Entzug vor einer frisch gezapften Maß.

Beim Bauernhof habe ich dann heimlich um die Ecke geparkt und bin zum Laberhaufen geschlichen. Beruhigend soll der Hopfen wirken, sagen die Apotheker. Naja, vielleicht in diesen homöopathischen Dosen. Hier am Laberhaufen, an der Quelle, wo man nicht in Gramm, sondern in Doppelzentnern misst, da putscht er auf. Süßlich säuerlich, a bisserl faulig, traumhaft. Manche finden ja, es riecht nach Joint. Aber das glaub ich nicht, denn ich mag keinen Joint. Ich mag Laberhaufen aus Hopfenresten. Und dann sterben. Und in der Hopfendarre aufgebahrt werden. Keine Ahnung, warum mich das so antörnt.

Aber ich habe einen Verdacht: So wie jede Region etwas braucht, was ihre Ureinwohner magisch anzieht, zurückhält oder immer wieder zurückkommen lässt. Ob das nun die Berge sind wie in Tirol, oder der Wein an der Mosel, oder besonders lebenslustige Menschen im Saarland. Die Holledau ist nicht besonders lebenslustig. Genau genommen sind die Menschen dort eher etwas grobschlächtig und verschroben. Nicht, dass ich das jemals so empfunden hätte. Ich bin's ja gewohnt. Aber ich kenne die Reaktionen auf meinen Holledauer Charme im Ausland. Also in Berlin zum Beispiel. Oder sogar im Voralpenland. Und das wäre ja sogar noch Oberbayern, aber ein ganz anderes.

Die Menschen dort, jetzt mal ehrlich, die sind doch verdorben durch die Sommerfrische, die müssen ihre Gegend anpreisen, aufhübschen, immer freundlich sein zu den Gästen.
Puh, da schüttelt's den Holledauer. Bei uns muss niemand freundlich sein. Und zum Anpreisen gibt's auch nix. Wir hatten ja in Geisenfeld auch nie ein Hotel, nur drei Fremdenzimmer im Geisenfelder Hof, aber da hat glaub ich nur einmal ein Fernfahrer übernachtet, der sich auf der Stadtplatzkreuzung verfahren hatte. Ansonsten gehörten die Zimmer der Katze vom Wirt und die hieß Schnitzelfresser. Aber nur, weil ihr Zwergkaninchen Schnitzel hieß. Das ist Holledauer Humor.

Eine Liebeserklärung an die Holledau, das ist ja ein Paradoxon gewissermaßen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ein Holledauer jemals zu einer Frau "Ich liebe dich" sagen würde (außer er wurde dazu gezwungen). Und wenn ich diesem Text eine Anrede voranstellen müsste, also so etwas wie: "Liebe Holledau", dann wäre das ein Oxymoron. Also die Kombination zweier komplett gegensätzlicher Begriffe. Warum ich das weiß? Weil ich Altgriechisch gelernt habe, im Gymnasium in Ingolstadt. Aber keine Sorge, dafür bin ich im 16er Bus, in dem die Holledauer wieder aus der Stadt heimfuhren, regelmäßig verprügelt worden.

Wenn ich die Holledau touristisch anpreisen müsste (was ich niemals täte, denn wenn Touristen kämen, dann könnte das biologische Gleichgewicht leicht aus den Fugen geraten), dann würde ich schreiben: Haben Sie es auch satt, im Urlaub ständig hofiert zu werden? Fliehen Sie auch vor übertriebener Freundlichkeit? Wollen Sie einen Urlaub ohne Meer und Berge, ohne Fahrradwege und ausgeschilderte Wanderwege? Hassen Sie Orte, die an "Unser Dorf soll schöner werden" teilgenommen haben? Wollen Sie im Gasthaus von niemandem angesprochen werden? Haben Sie Lust auf Hopfenspikes in Ihrem Autoreifen? Haben Sie Komplimente satt? Und regt sie ein Kulturangebot so richtig auf? Dann kommen Sie doch zu uns in die Holledau! Eine Woche charmebefreites Hausen neben einer Hopfendarre, das ist wie eine Fastenkur. Und dieser himmlische Geruch, dieser olympische Odem des getrockneten Lupullins gepaart mit den zersetzenden Blättern, lässt einen erahnen, wie wenig es im Paradies zur Glückseligkeit braucht. Manna, sog i.

ZUR PERSON

Andreas Martin Hofmeir wurde 1978 in München geboren, ist aber in Geisenfeld in der Holledau aufgewachsen. Über Klavier, Schlagzeug und Tenorhorn fand er mit zwölf Jahren zur Tuba. Er  war Stipendiat der Orchesterakademien der Berliner und der Münchner Philharmoniker und spielte u.a. mit den Wiener Philharmonikern, dem Gewandhausorchester und dem Bayerischen Staatsorchester. Von 2004 bis 2008 war er Solotubist im Bruckner Orchester Linz unter Dennis Russell Davies. Längst ist er ein Grenzgänger zwischen verschiedenen Genres: 2006 wurde Hofmeir als Professor ans Mozarteum Salzburg berufen. Er war Gründungsmitglied und Tubist der bayerischen Kultband LaBrassBanda und erhielt sowohl als Kabarettist als auch als klassischer Tubist zahlreiche Auszeichnungen. Er gibt weltweit Meisterkurse und Workshops und moderiert seit Herbst 2014 eine eigene Kleinkunstshow in der Ingolstädter Halle neun. In „Wer dablost’s?“ treten  Künstler verschiedener Genres auf. Nächster Termin ist am 22. September. Gäste sind dann u.a. der Münchner Buchhändler und Autor Volker Keidel und die „Diplomsaxophonöse" und Dichterin Verena Richter. 

Martin Andreas Hofmeir ist am Sonntag, 22. September, um 19.30 Uhr Gastgeber seiner Show "Wer dablost's?" im Kulturzentrum Halle neun in Ingolstadt. Karten gibt es in allen DK-Geschäftsstellen.