Leben im Grenzgebiet

29.05.2008 | Stand 03.12.2020, 5:53 Uhr

Ingolstadt (DK) Diese Inszenierung braucht nicht viel. Einen schmalen Streifen Spielraum vor einer grauen Wand. Ein wenig Clownsschminke als Maske. Einen Beleuchter. Und drei sehr gute Schauspieler. Vollkommen puristisch setzte Regisseurin Susanne Inkiow „Amoklauf mein Kinderspiel“ in Szene –und bescherte mit diesem Beitrag des Theaters Augsburg zu den Theatertagen dem Publikum im Kleinen Haus eine hochprofessionelle, spannende Theaterstunde.

Und zugleich das anregende Vergnügen einer rundum jungen Produktion. Gerade 27 Jahre zählt Autor Thomas Freyer, der die Ereignisse an einem Erfurter Gymnasium –2002 erschoss der Schüler Robert Steinhäuser dort 16 Menschen, ehe er sich selbst tötete – zum Anlass nahm für sein erstes Stück. Genauso alt ist Nachwuchsregisseurin Inkiow, und auch das dreiköpfige Ensemble gehört zur gleichen Altersklasse.
 
Eine glückliche Verbindung: Sehr glaubwürdig, sehr wissend ist die Inszenierung vielleicht aus diesem Grund geworden. Absolut präzise ist sie natürlich auch. Ganz auf den Text dieses exemplarischen Rollenspiels, in dem drei junge Menschen der Nachwendegeneration fragmentarisch, abstrakt, verschränkt, ihr Leben, ihre Wut und zuletzt das gemeinsame Morden kommentieren, verlässt sich Inkiow. Greift seine Rhythmen und Melodien auf, gliedert ihn, hier eine kleine Kürzung, dort ein eigener Einschub, virtuos zu Paarungen und Bildern. Die Schuldirektorin, der Hausmeister, die Mitschüler, die Eltern, Allianzen und Isolation stellt sie in seinen Worten auf die Bühne, berückend aufwandslos. Aber umso stärker. Ein Stellungswechsel, ein Fall in eine Rede, ein neuer Ton, eine andere Körperhaltung, das reicht, das ist perfekt und in schnellem Tempo choreografiert. Und präsent, konzentriert, mit leidenschaftlicher Professionalität folgt ihr ihr Trio auf der Bühne.
 
Passgenau und sicher gehen Insa Jebens, Sabrina Tannen und Tobias Ofenbauer mit der Sprache, mit ihren Wortkaskaden um, gestalten temporeich auch Freyers „Zwischenspiel“, in dem die Schauspieler sich ans Auditorium wenden sollen (sie tun’s hier als Animateure) und werden deshalb zu Recht am Schluss mit ihrer Regisseurin minutenlang beklatscht. Besonderer Beifall gebührt aber auch der Lichtregie: Selten sieht man Beleuchtung so eindrucksvoll genutzt.