Kunstgenuss auf Abstand

Positive Bilanz nach der Wiedereröffnung der Museen: Von Bernried über Ingolstadt bis Nürnberg

28.05.2020 | Stand 23.09.2023, 12:10 Uhr
  −Foto: Schulze-Reimpell, Neues Museum Nürnberg, Bergmann

Ingolstadt/Nürnberg - Analoger Kunstgenuss statt virtuellem Kunsterleben ist in vielen Museen in Bayern seit Mitte Mai wieder möglich.

Und die Häuser haben einen ersten Testlauf unter den strengen Hygieneanforderungen gut bewältigt. Plexiglas an den Kassen zum Schutz für die Mitarbeiter, Desinfektionsmittel, Leitsysteme, Postkartenvitrinen sind abgedeckt, Leseecken abgesperrt, mehr Aufsichtspersonal in den große Häusern in München für die Kabinette. Kleine Häuser oder Museen in historischen Gebäuden tun sich schwerer mit dem Neustart, da nur wenige Besucher gleichzeitig in die Räume dürfen oder ehrenamtliches Personal zur Risikogruppe zählt und damit nicht einsetzbar ist. Weil Führungen bislang noch nicht stattfinden, setzen viele Museen weiterhin auf die digitalen Angebote, die zusätzlich oder ergänzend die Besucher über die Ausstellungen oder Einzelkunstwerke informieren.

Das hat sich auch im Alf-Lechner-Museum in Ingolstadt bewährt, wie der Kurator Daniel McLaughlin berichtet. Auf der Homepage gibt er in kurzen Videos Informationen über die Kunstwerke von Alf Lechner und Rupprecht Geiger in der aktuellen Jubiläumsausstellung "Rot X Stahl", die bis 14. Juni verlängert wurde. Ob sie darüberhinaus noch zu sehen ist, sei noch nicht abschließend geklärt. Auch damit erklärt sich McLaughlin die hohen Besucherzahlen in den ersten beiden Wochen nach dem Corona-Lockdown. "Wir sind positiv überrascht, wie viele auch überregionale Besucher in den ersten Tagen ins Haus kamen. " Das Interesse sei "wirklich groß". Einige hätten vorab noch Mails geschrieben und sich informiert. "Ich habe das Gefühl, dass die Leute tatsächlich in den Startlöchern gestanden haben. "
Von Vorteil sei, dass man im Museum genügend Platz habe, um die Werke gut auf Abstand und mit Abstand zu den anderen Besuchern zu betrachten. Druckfrisch ist inzwischen der Katalog erhältlich. Ein prächtiger Band, 120 Seiten mit vielen Abbildungen und einem Text von Gottfried Knapp, schwärmt McLaughlin. Er kostet im Buchhandel 28 Euro, in der Ausstellung 20 Euro. Und am 31. Mai (bereits ausgebucht), 1. Juni und 14. Juni würde auch die Kombiführung wieder angeboten. Erst im Museum, dann im Skulpturenpark in Obereichstätt. Hierfür sind Anmeldungen unter info@alflechner-stiftung. com erforderlich.

Im Schrobenhausener Pflegschloss ist die Besucherzahl derzeit auf 15 beschränkt. Das liege auch an den historischen Räumlichkeiten und daran, dass die beiden Ausstellungen räumlich nicht voneinander getrennt seien, sagt Claudia Freitag-Mair. Nach der Quadratmeterzahl wäre die doppelte Anzahl erlaubt, aber da bräuchte man etwa auch mehr Aufsichtspersonal. Die Leiterin der Schrobenhausener Museen kann sich aber vorstellen, nach möglicherweise weiteren Lockerungen dann auch mehr Besucher in die Ausstellungen zu lassen. "Wir freuen uns ja sehr, dass wir endlich wieder öffnen durften. " Bedauerlich sei, dass die große Ausstellung "Bayern und das Meer. Eine Spurensuche in der Tiefe" erst einmal wieder schließen musste, erfreulich aber, dass es gelungen sei, in Absprache mit den Leihgebern, die Schau bis Ende des Jahres zu verlängern. Sie sei vorsichtig-optimistisch, dass sich vieles wieder einspiele, aber die Besucherzahlen der vergangenen Jahre seien erwartungsgemäß nicht mehr zu erreichen. "Allein die sogenannten Spargeltouristen oder Reisegruppen werden fehlen. " Und auch die Schulklassen, für die das Team ein großes museumspädagogisches Angebot entwickelt hätte und das dann von einem Tag auf den anderen eingestellt werden musste. "Ein paar Klassen waren noch da, alle begeistert. " Aber auch hier hofft die Museumsleiterin, dass im Laufe des Jahres vielleicht Angebote für kleinere Gruppen möglich sein könnten.

Gut vorbereitet ist auch das Buchheim Museum in Bernried am Starnberger See. Dennoch kamen die Besucher in den ersten beiden Wochen, stellt Sabine Bergmann, Pressesprecherin des Museums, fest, "eher zögerlich". Doch das gelte für viele Museen, wie sie von Kolleginnen und Kollegen in anderen großen Häusern höre, die an die Besucherzahlen der Vor-Corona-Zeit längst noch nicht anschließen konnten. Für sie und die Mitarbeiter sei der überschaubare Start möglicherweise auch von Vorteil gewesen, gibt sie zu bedenken, "weil wir uns an die neuen Abläufe gewöhnen und erste Erfahrungen mit den neuen Gegebenheiten und Vorgaben machen konnten". Doch nun stehen die Pfingstferien vor der Tür, die Bayerische Seenschifffahrt lege voraussichtlich am 30. Mai auch wieder los, so dass mit mehr Besuchern zu rechnen sei. Maximal 150 dürfen gleichzeitig in das direkt am Starnberger See gelegene Museum. Die Besucher können Onlinetickets mit einem Timeslot von maximal zwei Stunden kaufen. Wer warten müsste, könne sich aber die Zeit gut im Grün um das Museum oder im Café vertreiben, das auch wieder geöffnet sei, sagt Bergmann. Einen Wermutstropfen gibt es jedoch bei der freudigen Aufbruchsstimmung: Die große Ausstellung "Wiederentdeckt! Rahmen und Bilder der Brücke Künstler" wurde erst gar nicht eröffnet Sie sollte vom 28. März bis 5. Juli dauern. Einen Einblick in das spannende Thema gibt nun aber ein halbstündiger Film auf der Homepage des Museums und umfassende Informationen der prächtige Katalog. Ab diesem Samstag ist - neben weiteren Ausstellungen - die neue Schau "Wahrheitsmalerei" zu sehen, Werke des Expressiven Realismus aus der Sammlung Hierling.

Für Eva Martin, stellvertretende Leiterin und Pressesprecherin des Neuen Museums Nürnberg, hat die Wiedereröffnung nach der mehrmonatigen Schließung gut funktioniert. Man sei gut vorbereitet gewesen, in den großzügigen Räumen des Hauses seien auch die Abstandsregeln gut einzuhalten. "Die Besucher verteilen sich auf verschiedene Ebenen und Etagen. " Nicht stattfinden konnten im geplanten Rahmen alle Jubiläumsfeierlichkeiten. Das Neue Museum, das moderne und zeitgenössische Kunst sowie Design zeigt, wurde am 15. April 2000 als erstes staatliches Museum außerhalb Münchens eröffnet, eine "Erfolgsgeschichte", wie Kunstminister Bernd Sibler (CSU) in seiner virtuellen Grußbotschaft lobt, die mit vielen weiteren auf der Homepage des Museums zu sehen ist. Ab Samstag gibt es nun eine neue Ausstellung: "Was, wenn . . . ? Zum Utopischen in Kunst, Architektur und Design". Und sonntags stehen Kunstvermittler von 12 bis 18 Uhr für Fragen einzelner Besucher bereit.

Eine äußerst positive Bilanz der ersten beiden Wochen zieht die Direktorin des Museums für Konkrete Kunst in Ingolstadt, Simone Schimpf. "Wir sind wirklich überrascht und freuen uns sehr, dass so viele Besucher kommen. " Vorauszusehen sei das nicht gewesen, man habe eher geglaubt, dass die Leute anfangs noch zurückhaltender seien. Das Gegenteil ist der Fall: Am Eröffnungstag nach der Coronabedingten Schließung, außerdem der Internationale Museumstag, seien 180 Besucherinnen und Besucher gekommen. Am vergangenen Sonntag 120, die die Ausstellungen von Traudl Brunnquell und Wolfram Ullrich sehen wollten. Und das ohne Führungen oder andere Angebote, so Schimpf. "Das waren alles Einzelpersonen. " Und auch die Rückmeldungen seien für das Team und sie ermutigend: "Schön, dass Ihr wieder da seid. " Die Besucher hielten sich an die Regeln und Abstände und trügen auch ihre Masken. "Das läuft wirklich problemlos", sagt Simone Schimpf.

Und neben den bereits bestehenden digitalen Angeboten oder "callforart" stehen weitere Projekte an. Ab 6. Juni soll es wieder Führungen in kleinen Gruppen bis zu neun Besuchern geben. Dann, wenn auch die neue Ausstellung "etwas anderes aus der Sammlung" eröffnet wird. Statt einer Vernissage gibt es Führungen im Stundentakt.

Ein großes Fest hätten Simone Schimpf und ihr Team mit vielen Kunstfreunden auch gerne anlässlich des Starts des Lichtkunstprojekts an der historischen Westfassade des im Bau befindlichen Museums für Konkrete Kunst und Design (MKKD) gefeiert. Doch das Lichtkunstwerk ist wie geschaffen für Flaneure auf Abstand. Ab 5. Juni, 21 Uhr, wird dort erstmals die Installation des Künstlerduos Hartung und Trenz - und darauffolgend immer nach Einbruch der Dämmerung - für Staunen und Begeisterung sorgen. Es ist der Auftakt für "Flux Lichtwerke Ingolstadt", einem Gemeinschaftsprojekt mit dem Stadtbaureferat. Nach "Vierkant" von Hartung und Trenz, kündigt Simone Schimpf an, sollen weitere künstlerische Lichtinterventionen folgen, "die das MKKD als neuen Kunstort markieren".

DK


Weitere Infos unter www. mkk-ingolstadt. de, www. buchheimmuseum. de, www. nmn. de, www. lechner-museum. de, www. schrobenhausen. de.

Katrin Fehr