Ingolstadt
"Das Nichts wirft keine Schatten"

Sigi Zimmerschied liest in Ingolstadt aus seinem Roman "Der Komparse"

18.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:07 Uhr
Sinn für Tragikomik: Sigi Zimmerschied in der Neuen Welt. −Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) "Das Nichts wirft keine Schatten", heißt es an einer Stelle in Sigi Zimmerschieds Roman "Der Komparse". Hinterlässt es deswegen auch keine Spuren? - Stephan Fadinger, der Protagonist, ist ein Nichts. Ein Sonderling, gezeugt im Fasching während einer Vollrauschphase, geboren an Allerheiligen. "Pappnase und Totenlicht. Das sind seine Koordinaten", heißt es.

Dass er, die tragische und zugleich doch so komische Figur zwischen Menschenscheu und hilfloser Einsamkeit, sogar recht deutliche Spuren hinterlässt, liegt an seinem Erfinder, an Zimmerschied, dem Kabarettisten aus Passau, der ihn bei seiner Lesung in der Ingolstädter Neuen Welt zusammen mit all den anderen Romanfiguren zum Leben erweckt und damit zugleich Einblick gewährt in den Mikrokosmos provinzieller Enge, aus dem es nur eine Rettung gibt, nämlich die Flucht in eine Traumwelt. Wenn die dann auch noch kollabiert, gibt es schier keine Rettung mehr.

In der ersten Hälfte geht es um die Typisierung seines Personals, in der zweiten treibt er die Handlung voran. Er hat die Passagen aus dem immerhin 390 Seiten starken Band sehr geschickt ausgewählt. Man sieht sie überdeutlich vor sich, die drei Wimmers, den "Hantigen Gust" und natürlich Fadinger selbst, zieht unwillkürlich Vergleiche zu ähnlich gestrickten Zeitgenossen, die einem selbst schon mal begegnet sind. An vielen Stellen der Geschichte, etwa in der so herrlich überhöht erzählten Szene über ein Comedy-Casting, das Fadinger mit dem selten dämlichen Spruch "Krassi Spassi" gewinnt, kommt der Kabarettist Zimmerschied zum Vorschein, der schon immer wusste, wie man Idiotie, Infantilismus und somit den Zeitgeist kommentiert. Und so ist die Geschichte Fadingers auch die "einer Gesellschaft, die herumirrt im Niemandsland zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Illusion und Banalität", wie es bei Erscheinen des Buches im Flyer hieß.

Zimmerschied ist weit mehr als lediglich ein Vorleser. Er rezitiert nicht nur, nein, er zelebriert, schlägt eine Brücke hin zu älteren Bühnenprogrammen, greift etwa einen Faden aus dem legendären "Scheißhaus Sepp" auf, setzt seine unvergleichliche Mimik gezielt auch hier ein. Ganz klar: Sigi Zimmerschied ist nicht nur auf der Bühne des Kabaretts eine Koryphäe, sondern auch auf der der literarisch-komischen Lesung. Und auch als Autor, der die kleinen, vermeintlich unwichtigen, oftmals verqueren Typen ins Zentrum stellt. Gerhard Henschel, Frank Schulz und Heinz Strunk lassen grüßen.
Dass "Der Komparse" nun auch verfilmt werden soll - er schreibe bereits am Drehbuch, sagt Zimmerschied - ist eine tolle Nachricht. Wer die Hauptrolle bekommt, weiß man noch nicht. Am Ende Zimmerschied selbst. So wie man ihn kennt, würde er auch diese Herausforderung problemlos meistern.

Karl Leitner